"Al 
          Mouhajir, der friedliche Mensch, der zu seinem Leben steht, hat sich 
          von seinem Land entfernt und wird von dem Neuen eingeschlossen". 
          So steht es im Einleitungstext zu "Al Mouhajir", dem Album 
          des Marokkaners Kamal Ben Hicham. 
          Mit 
            Musik aus dem Maghreb ist man in Mitteleuropa inzwischen vertraut. 
            Khaled, Cheb Mami und Rachid Taha sind die bekanntesten Namen des 
            Raï, der Popmusik Nordafrikas. Doch ausnahmslos arbeiten diese 
            Musiker in Frankreich, und dort feiern sie ihre größten 
            Erfolge. Kamal Ben Hicham dagegen lebt und arbeitet in Deutschland. 
            Hier ist das neue Land, von dem er "eingeschlossen" wird, 
            wie er eingangs schrieb, aber "seine Wurzeln bestehen weiter, 
            spürbar begleiten sie ihn überall hin". 
          Auch 
            seine Themen bezieht er aus der Auseinandersetzung mit der Heimat. 
            "Bleibe in deiner Heimat, die Enttäuschung kann groß 
            sein", ruft er in "Ya Rahel - Der Aufbrechende" seinen 
            Landsleuten entgegen, die tatsächlich immer wieder in unsicheren 
            Booten von Marokko aus die Straße von Gibraltar in Richtung 
            Spanien verlassen: "Denk daran, Aufbrechender, das Meer ist tief 
            !"
          Unreflektierter 
            Materialismus, Gegensätze zwischen Arm und Reich, gesellschaftliche 
            Anonymität und Desinteresse am Schicksal der Mitmenschen sind 
            die Themen von Kamal Ben Hicham, die er in betont einfacher Sprache 
            erzählt; Lyrik, die zu Herzen geht, manchmal auch die Ränder 
            des Kitsch streift, doch für Ben Hicham zählt bei dem Versuch, 
            inhaltlichen Anspruch und Eingängigkeit der Musik miteinander 
            auszugleichen, vor allem der Unterhaltungswert.
          Typische 
            Instrumente arabischer Musik wie die Derbouka (Trommel), Bendir (Rahmentrommel), 
            Krakeb (Kastagnetten aus Metall) und die Gembri, eine mit Tierfell 
            bespannte dreisaitige Langhalslaute, verbindet er mit Streichern, 
            Keyboards und Bläsern. So kommt die Entfernung von der Heimat 
            in Arrangments und Instrumentierung seiner Lieder besonders deutlich 
            zum Ausdruck. Sein Mix aus Pop, Balladen, Latin, spanischer Gitarre 
            und orientalischen Rhythmen, der vor allem für die Tanzfläche 
            gedacht ist, verdeutlicht ein Klangkonzept, dessen 
            maghrebinische Herkunft sich vor allem noch in der Sprache und dem 
            Gesang wiederfinden lässt, ansonsten aber genauso gut in anderen 
            Teilen der Welt beheimatet sein könnte. 
          Weltmusik 
            also, die ihren Namen verdient und vor allem live ihre mitreißende 
            Wirkung nicht verfehlen wird. 
          © 
            Michael Frost, 10. Mai 2003