Der 
            Sticker auf dem Album feiert Benjamin Biolay erneut als "Retter 
            des französischen Chanson". Doch ein solcher wollte er nie 
            sein, nicht mit seinem fulminanten Debüt "Rose Kennedy", 
            nicht mit "Home", dem verliebten Duettalbum mit Chiara Mastroianni, 
            und schon gar nicht mit seinem album noir, "À l'origine", 
            auf dem er mit druckvollen Rockgitarren Knabenchöre massakrierte. 
            
          Benjamin 
            Biolay ist weder Vertreter des Ancienne noch des Nouvelle 
            Chanson, er ist ein Rockmusiker, der Französisch singt, weil 
            er, wie er Achsel zuckend sagt, für englische lyrics einen 
            Texter engagieren müsste. Ausgeschlossen für einen, der 
            es gewohnt ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ursprünglich 
            wollte er sämtliche Instrumente für "Tresh yéyé" 
            selbst einspielen, doch zeitgleich "erschütterte ein bedeutendes 
            Ereignis die musikalische Landschaft", wie er sagt: "Sir 
            Paul McCartney kündigte ein Werk an", auf dem auch er alles 
            allein spielen wollte. "Damit", so Biolay trocken, "hatte 
            sich das Thema für mich erledigt."
          Die 
            verhaltene Resonanz auf sein voriges Album "À l'origine" 
            dagegen beschäftigte den erfolgsverwöhnten Star noch länger 
            und scheint ihn gar einige Zeit darin gehindert zu haben, die Arbeit 
            an einem neuen Album zu beginnen. Statt dessen lenkte er sich mit 
            der Schauspielerei ab (zwei Filme werden derzeit für die Kinopremiere 
            vorbereitet) und reiste in die USA, besser nach Woodstock, wo die 
            Uhren noch heute etwas anders ticken als im Rest der Vereinigten Staaten. 
            "Woodstock ist eine Oase", sagt er, "auf den Fußmatten 
            vor den Türen ist das Bild des Präsidenten abgebildet, und 
            die Kinder sehen aus wie Elliott in E.T."
          Ein 
            wenig von der entspannten Atmosphäre des Ortes und seiner Bewohner 
            atmet auch "Trash yéyé", und vielleicht nicht 
            ganz zufällig greift er mit der Single-Auskopplung "Dans 
            la Merco Benz" ein Motiv der Hippie-Ära auf. Janis Joplin 
            flehte damals "Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz" 
            - und auch Biolay stilisiert das Gefährt ironisch zur Ikone: 
            "Dans la Merco Benz c'est l'espoir que je caresse 
". 
            
          Dennoch. 
            Trotz der Zweifel, trotz des Aufenthalts in Amerika - neu erfunden 
            hat Biolay sich nicht. Seine Musik ist weiter unverkennbar: Die Melodien 
            sind einfach und schlicht, würden in der Hand anderer vielleicht 
            sogar banal wirken - doch er verfügt über diese besondere 
            Gabe, die Atmosphäre eines Songs so verdichten und zuspitzen 
            zu können, bis schließlich ein großes Werk daraus 
            wird. 
          Und 
            dabei kann er eigentlich noch nicht einmal richtig singen. Er selbst 
            nennt seine "Technik" "Singen mit geschlossenem Mund" 
            - das Ergebnis ist kaum mehr als ein Raunen, mehr Sprech- als Gesang 
            - und dabei so viel wirkungsvoller als die Inbrunst vieler Kollegen, 
            sowohl aus Frankreich als auch international. 
          "Trash 
            yé yé" wird bereits hoch gelobt und in eine Reihe 
            mit seinem Konzeptalbum "Rose Kennedy" gestellt, nicht ganz 
            zu Unrecht. Denn auch das neue Album klingt wieder wie aus einem Guss, 
            trotz des Wechsels zwischen langsameren und schnellen Songs. Einzelne 
            Stücke hervorzuheben oder auch zu überspringen, erscheint 
            angesichts des gleichbleibend hohen Niveaus vollkommen überflüssig, 
            Lieblingslieder sind mal solche und mal andere, je nachdem, in welche 
            Nuance, in welche Instrumentierung man gerade vernarrt ist. Und damit 
            ist es genau so, wie Biolay es haben wollte. "Ich habe so ein 
            Glück: ich kann Alben machen. Plattenfirmen lieben Singles und 
            Klingeltöne und den ganzen Kram - das ist deren Geschäft."
          Und 
            so raunt er sich weiter durch die Landschaft, mit lässigem Blick, 
            doch innerlich hoch konzentriert, als einer der ganz Großen 
            der französischen Musik, der bleiben wird, auch wenn die aktuelle 
            Welle des Nouvelle Chanson eines Tages verebben sollte, denn Biolays 
            Qualitäten als Songschreiber, Arrangeur und Interpret sind absolut 
            zeitlos. Trash? Yé Yé!
          
          © 
            Michael Frost, 07. September 2007