Im 
          Louis de Funès-Film "Brust oder Keule" ist Tricatel 
          der Herrscher über eine Fastfood-Kette, die ihre Lebensmittel aus 
          synthetischen Materialien herstellt. Damit verstößt Tricatel 
          gegen sämtliche Grundregeln der französischen Gourmetküche 
          und deren obersten Wächter "Duchemin", gespielt von Louis 
          de Funés.  
          Im 
            wahren Leben ist "Tricatel" die Plattenfirma von Bertrand 
            Burgalat, und dass dieser ausgerechnet den Namen des Plastik-Imperiums 
            für sein Label wählte, ist wohl kein Zufall. Denn was sich 
            bezogen auf die Geschmacksnerven als ungenießbar herausstellt, 
            entfaltet in Musik umgesetzt durchaus großen Reiz.
          Nun 
            hat Bertrand Burgalat den Synthiepop sicher nicht erfunden, aber er 
            fügt ihm eine Komponente à la Française hinzu, 
            selbst wenn er selbst sich vermutlich gar nicht als "typisch" 
            französisch betrachtet, immerhin arbeitete er bereits mit Bands 
            wie Pizzicato Five (Japan), Depeche Mode (Großbritannien) und 
            den Einstürzenden Neubauten (Deutschland), aber auch mit heimischen 
            Kollegen wie Air (die er als Bassist auf Tour begleitete) und dem 
            gefeierten Schriftsteller Michel Houellebecq ("Die Möglichkeit 
            einer Insel"). 
          Unlängst 
            veröffentlichte Burgalat ein neues Album unter eigenem Namen. 
            Schon der Titel "Portrait Robot" soll vermutlich wiederum 
            den Focus auf die elektronischen Elemente seines Sounds lenken, doch 
            so steril, distanziert und kühl, wie es der Titel vermuten lässt, 
            ist das Album bei weitem nicht. Außerdem weiß man seit 
            Kraftwerk ("Computerliebe", 1981), dem Androiden "Data" 
            in Star Treck und Chris Cunninghams Videoclip für Björk 
            ("All is full of love", 1997), das auch Maschinen zu leidenschaftlichen 
            Liebesbeziehungen fähig sind - vorausgesetzt, sie sind entsprechend 
            progammiert.
          Burgalat 
            mischt seine digitalen Phantasien vorwiegend mit Retro-Klängen 
            aus den 60er Jahren. Seine Begeisterung für psychedelische Sounds 
            kontrastiert die coole Elektronik, aber ebenso die introspektiven 
            und nachdenklichen Texte, etwa in "Pablo's dove", wo er 
            einen resignierten Monolog über Picassos Motiv der Friedenstaube 
            hält: "This dove can't fly // this bird can't sing // her 
            beauty's mute as silent snowfall". 
          Gerade 
            dieses Stück steht für die Fähigkeit Burgalats, akustische 
            und elektronische Elemente atmosphärisch stimmig miteinander 
            zu kombinieren. Mit sicherem Gespür arrangiert er Computersounds, 
            Streichersätze und Kirchenorgel um seine Bildbetrachtung zu einem 
            einheitlichen Ganzen, das schließlich seinerseits als (Klang-)Gemälde 
            wirkt und zu ungemein vielschichtigen Hörerlebnissen führt. 
            Doch diese Rezeptur gilt, darauf sei Wert gelegt, wirklich nur in 
            der Plattenküche. Dort serviert Burgalat Brust und Keule. 
            Es ist angerichtet.
          © 
            Michael Frost, 03.12.2005