Er 
          hat eine Stimme zum Sich darin verlieren, sein Gesang ist aus Samt und 
          Seide. "Tu me fais tourner la tête" sang Etienne 
          Daho in der Adaption eines Edith Piaf-Klassikers ("Mon manège 
          à moi"), doch tatsächlich ist er es, der anderen den 
          Kopf verdreht. Mit seinen gefühlvollen Popballaden schaffte er 
          es in den 90er Jahren sogar bis in die MTV-Playlist, und glückerweise 
          werden seine Alben bis heute auch auf dem internationalen Markt veröffentlicht. 
          In Frankreich selbst wurde Daho inzwischen praktisch mit allen Preisen 
          dekoriert, die in der heimischen Musikbranche vergeben werden, und regelmäßig 
          toppen seine Alben und Singles die französischen Charts. 
          So 
            auch "Réévolution", seine neueste CD, die 
            wiederum sämtliche Zutaten beinhaltet, die in ihrer Gesamtheit 
            seine zeitlose Qualität ausmachen. Daho ist der ungekrönte 
            König der gefühlvollen, melancholischen Popballade, wobei 
            ihm das seltene Kunststück gelingt, trotz des Fehlens von Ecken 
            und Kanten nicht stromlinienförmig und seelenlos zu klingen. 
            Seine Texte sind sehnsuchtsvoll, aber nicht schmalzig - nachdenklich, 
            aber nicht sentimental - schnörkellos und dennoch nicht banal.
          Auf 
            "Réévolution" widmet er sich, nach verschiedenen 
            Experimenten in vergangenen Jahren und einem Umzug nach London wieder 
            der Musik seiner Anfänge. Manche Kritiker äußerten 
            sich bereits verwundert, das Album klinge eher wie eine"Best-of"-Compilation. 
            
          Langsame 
            und druckvollere Stücke wechseln einander ab, jeweils getrangen 
            von der eleganten Interpretation des "französischen Brian 
            Ferry", wie Daho in den ersten Jahren seiner internationalen 
            Karriere genannt wurde.
          In 
            Frankreich ist der enge Austausch unter den Chanson- und Popinterpreten 
            gängige Praxis. Auch Daho hat schon mit einigen seiner berühmtesten 
            Kolleginnen gesungen, unter anderm mit Astrud Gilberto oder Zazie. 
            Auf "Réévolution" gibt es gleich zwei Duette, 
            eines mit Charlotte Gainsbourg ("If"), der gemeinsamen Tochter 
            von Serge Gainsbourg und Jane Birkin, und ein weiteres mit der Rock-Legende 
            Marianne Faithfull . Mit ihr hatte er bereits im vergangenen Jahr 
            zusammengearbeitet: Daho komponierte damals einen Titel für ihr 
            Album "Kissin' Time". Faithfull revanchiert sich auf ihre 
            besondere Weise: Mit der Rezitation eines Gedichts ihres Großonkels 
            Leopold von Sacher-Masoch und dem gemeinsam dahingehauchten Stück 
            "Les liens d'Eros". 
          "Aimer, 
            être aimé, quel bonheur", heißt es dort, und 
            in diesem Fall spürt man die intime Beziehung zweier außergewöhnlicher 
            Stimmen, darüber sinnierend, ob die Verbindungen der Liebe schließlich 
            nicht doch stärker sind als Blutsbande. Man kann es nicht oft 
            genug hören: "Lieben, geliebt werden, welches Glück!"
          © 
            Michael Frost, 28. November 2003