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Sirene der
Cinemascope-Ära


Wer in diesen, für die Musikindustrie so schwierigen Zeiten, 600.000 Exemplare eines einzigen Albums verkauft, muss etwas Besonderes sein. Arielle Dombasle gelang diese außergewöhnliche Leistung mit ihrem 2006 erschienenen Album "Amor Amor". Die Franzosen waren offenkundig mehr als hingerissen von ihren Interpretationen latin-inspirierter Gassenhauer der 30- bis 50er Jahre.

Allein an der Musik kann es nicht gelegen haben: "As time goes by", "Amor amor" oder "Rhum and Coca Cola" sind hinlänglich bekannt und in unzähligen Versionen veröffentlicht. Doch Arielle Dombasle besitzt offenbar das gewisse Etwas, das ihre Versionen zu besonders hellem Glanz erstrahlen lässt.

Diesen entwaffnenden Charme lässt sie nun auch auf dem Nachfolger "C'est si bon" spielen, und ebenso wie bei "Amor amor" gelingt es ihr erneut, selbst skeptische Zuhörer um den kleinen Finger zu wickeln. Mit bonbonfarbenen Klängen, begleitet von einem opulenten Orchester und einer Bigband, wagt sie sich nunmehr an Tanz- und Filmmusiken sowie die Perlen des Crooner-Pop der 40er und 50er Jahre.

"Dream a little dream", "Cheek-to-cheek", "Tico tico" oder Doris Days unvergessenes "Que sera sera" - die Liste der Lieder auf "C'est si bon" klingt wie eine nahtlose Fortsetzung des Vorgängers, und das sollte es sicher auch werden.

Zu Recht: Denn Arielle Dombasle ist dafür geschaffen, diesen alten Vorlagen neues Leben einzuhauchen. Mit kokettem Aufschlag ihrer unverblümt nachkolorierten blauen Augen, den ondulierten blonden Locken und den kirschroten Lippen entspricht sie dem Klischee ihrer Vorlagen nicht nur - sie übertrifft es sogar noch.

Während des gesamten Albums rechnet man mit ausladenden Tanzeinlagen von Fred Astaire und Ginger Rodgers, er im eleganten Smoking und glänzenden Lackschuhen, sie in einem wallenden Kleid, dessen raffinierten Schnitt man erst dann erkennt, wenn sie in beschwingten Drehungen über die Tanzfläche zu schweben scheint.

Auch Arielle Dombasles Interpretationen fehlt jede Bodenhaftung. Sie ist ein Gesamtkunstwerk, eine verspätete Sirene des Cinemascope-Zeitalters, und doch auf der Höhe der Zeit, weil man das ironische Zwinkern zwischen den Tönen spüren kann - und manchmal auch hören.

Singt sie Französisch (etwa den Titelsong, "C'est magnifique" oder "Moi je m'ennuie", dann mit leisem englischen Akzent, umgekehrt mischt sich in die amerikanischen Standards ein charmanter franophoner Farbton. Ihre Stimme bleibt dabei in jeder Hinsicht zauberhaft, weiblich und elegant. In den Höhen klingt sie wie ein zwitschernder Kanarienvogel - betörend und anmutig. Dass sie nebenbei eine begeisterte Interpretin italienischer Belcanto-Kunst ist - niemand würde das ernsthaft bezweifeln.

"Boys in the Backroom" widmet sie Augen zwinkernd ihren Freunden, den Modemachern John Galliano und Jean-Paul Gaultier - nicht die einzigen illustren Persönlichkeiten in ihrer Umgebung: Seit 1993 ist Arielle Dombasle mit dem Philosophen Bernard-Henri Levy verheiratet, mit ihm führt sie ein mondänes Leben zwischen ihren drei Wohnsitzen in Paris, Marrakesch und Riviera. Die meisten Dinge in ihrem Leben tue sie, damit Levy sie anbete, sagte sie einmal: "Auch wenn ich ein Ei koche".

Doch Hand auf's Herz: Sich Arielle Dombasle, die mit "C'est si bon" einmal mehr erfolgreich das verführerische Bild der Leinwandgöttin beschwört, als Eier kochende Philosophen-Gattin vorzustellen, fällt schwer. Wir bleiben also bei dem Traum von der singenden Filmdiva aus vergangenen Zeiten, die sich auf wundersame Weise in die Gegenwart hinüber retten konnte und staunen ergriffen: "O là là - C'est magnifique ..."

 

© Michael Frost, 17.02.2008


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