"Wer 
            sagt denn, dass es nicht unsere amerikanischen Cousins waren, die 
            mithalfen, den Jazz zu erfinden?" Die Frage, aufgeworfen von 
            den Mitgliedern des vielköpfigen Blasorchesters Fanfare Ciocarlia 
            aus Zece Prajini, einem Dorf im Osten Rumäniens, ist durchaus 
            ernst gemeint. 1864, als mit der Befreiung der rumänischen Roma 
            die Sklaverei in Europa endgültig abgeschafft wurde, verließen 
            viele von ihnen das Land, um - wie viele Europäer in dieser Zeit 
            - ihr Glück in der "Neuen Welt" zu suchen. 
          In 
            den meisten Fällen endete die neue Freiheit der Roma jedoch in 
            den Ghettos der Farbigen in den Südstaaten der USA. Dorthin, 
            zu den Wurzeln des Jazz, führt nun die jüngste Reise von 
            Fanfare Cioacarlia. Das aus mehr als einem Dutzend Musikern bestehende 
            Blasorchester versucht auf seinem neuen Album "Gili Garabdi" 
            mit durchaus unkonventionellen Mitteln, die unbekannte Geschichte 
            amerikanischer Roma aufzuspüren.
          Schon 
            der Opener, eine scheppernde Adaption des legendären "James 
            Bond Theme" von Norman Monty, zeigt, dass hier nicht so sehr 
            mit historischer Akribie, sondern vielmehr mit der gewohnten Spielfreude 
            und Originalität der Karpaten-Kombo gerechnet werden muss. Den 
            orchestralen 007-Sound haben die Musiker in seine Einzelteile zerlegt 
            und neu zusammengesetzt, bis nur noch Versatzstücke vom Original 
            übrig blieben. Ähnlich respektlos verfuhren sie mit dem 
            Duke Ellington-Klassiker "Caravan" und Mancinis "Pink 
            Panther" - amerikanische Swing-Standards einmal aus ungewohnter 
            Perspektive. 
          Außerdem 
            lud das Orchester erstmals seinen bulgarischen Kollegen Joni Iliev 
            ein. Der Musiker, der vor einiger Zeit selbst sein internationales 
            Platten-Debüt feiern konnte, ist auf zwei Titeln von "Gili 
            garabdi" als Gastsänger zu hören. 
          Die 
            Entscheidung der Gruppe, ihr traditionelles Repertoire zu erweitern 
            und dabei den Jazz als Genre in ihren Sound zu integrieren, ist ein 
            wichtiger Schritt zur weiteren Internationalisierung ihres Sounds. 
            Man darf durchaus erstaunt sein, wie diese Band, deren Musik durch 
            die jahrzehntelange Isolation ihrer Heimat konserviert wurde, sich 
            auf einmal öffnet und den Austausch mit verschiedenen Einflüssen 
            sucht, auch solchen, zu denen eine Verbindung nicht unbedingt nahe 
            liegend erschien. 
          Aber 
            wer weiß. Den wirklichen Einfluss ihrer "amerikanischen 
            Cousins" auf den Jazz wird man vermutlich nie endgültig 
            klären können. Den Einfluss der Fanfare Ciocarlia auf die 
            zeitgenössische Weltmusik-Szene dagegen schon. Und der ist immens.
          © 
            Michael Frost, 08.03.2005