Soviel 
            steht fest: Dieses Album wird kontroverse Reaktionen ernten. Denn 
            als Alison Goldfrapp und Will Gregory 2000 ihr Debüt-Album "Felt 
            Mountain" ganz im Stil des Bristol-Sounds von Massive Attack 
            und Portishead veröffentlichten, lagen ihnen die Fans des Triphop 
            bedingungslos zu Füßen. Ihre bittersüßen Popsongs, 
            allen voran "Utopia" und "Human", gehören 
            zum Besten, was in den letzten Jahren in Großbritannien produziert 
            wurde. "Wohlige Schauer" attestierten wir uns damals angesichts 
            der betörenden Stimme von Alison Goldfrapp und den aufwühlenden 
            Arrangements zwischen Electronica, Breakbeats und Filmorchester. 
          Und 
            nun das. "Black Cherry" sprengt alle Erwartungen, indem 
            das Album sich explizit zum Gegenteil aller Vorstellungen bekennt, 
            die man jemals mit ihm verbunden haben könnte. Seit der Veröffentlichung 
            der dröhnenden Vorab-Single "Train" ist Umdenken angesagt. 
            Wer dieser Herausforderung gewachsen ist, wird allerdings reich belohnt: 
            Hinter der überraschenden Härte des Sounds, dem Ächzen, 
            Hämmern und Lärmen verbirgt sich nämlich ein Juwel 
            der aktuellen Popmusik. Auf "Black Cherry" finden Alison 
            Goldfrapp und Will Gregory zu einem neuen Grundverhältnis der 
            Elemente, die ihre Musik bisher beeinflussten. 
          Sie 
            verbinden die Leichtigkeit von "Felt Mountain" mit der Schwermut 
            des Triphop, die kalte Härte drängender Computerbeats mit 
            den wiederum süßlich säuselnden Gesangspartien, hypnotisch 
            hämmernde Beats mit epischen Orchesterbögen, für die 
            übrigens einer der größten Spezialisten seiner Zunft 
            verantwortlich zeichnet: Arrangeur und Orchesterchef Nick Ingman, 
            der bereits Großes u.a. für das Portishead-Livealbum "Roseland 
            NYC", Herbert Grönemeyers Expo-Konzert und jüngst für 
            den Philip Glass-Soundtrack zum Kino-Hit "The Hours" leistete. 
            
          "Black 
            Cherry" klingt um einiges ernster und düsterer, als man 
            es von Goldfrapp bislang gewohnt war. Ausnahmen wie der Titelsong, 
            der vielleicht am ehesten noch an "Felt Mountain" erinnert, 
            bestätigen nur die Regel. "Black Cherry" bezieht den 
            umwerfend lebendigen Gesamteindruck wohl zu aller erst aus der Unberechenbarkeit, 
            mit der die Band Tempo, Rhythmus und Atmosphäre erst aufbaut, 
            dann umstößt und schließlich in detailverliebter 
            Soundfrickelei wieder zusammensetzt. 
          Die 
            Entscheidung, den bisherigen Sound bereits nach dem ersten Album auf 
            den Kopf zu stellen, ist mutig, weil sie den Fans der Band einiges 
            abverlangt. Andererseits ist "Black Cherry" der Beweis, 
            dass Goldfrapp gar nicht daran denken, als Eintagsfliege in die Popgeschichte 
            einzugehen, indem sie sich mit einer Kopie ihrer selbst begnügen. 
            Allein dieser Umstand, verbunden mit der Durchschlagkraft von "Black 
            Cherry", macht sie zu einer der wichtigsten britischen Bands 
            dieser Tage. Wie gesagt. Wer umdenken kann, wird reich belohnt.
          
          
          Michael 
            Frost / 26. April 2003