Es
gibt Musik, die nur an einem Ort auf der Welt entstehen kann. So wie
die Samba nach Brasilien gehört, der Flamenco nach Spanien und
Punk nach London, so gehört der Chanson nach Frankreich, genauer
nach Paris. Nur dort kann er entstehen, wachsen und gedeihen, so seltsam
und unlogisch es auch erscheint: Anderswo geht es nicht. Eine Ikone
des klassischen Pariser Chansons ist Françoise Hardy, die dem
Metier seit den 60er Jahren verpflichtet ist, ohne darüber gealtert
zu sein.
Ihren
1995 angekündigten Abschied hat sie glücklicherweise selbst
nicht Ernst genommen, sondern die darauffolgenden Jahre genutzt, um
ein Album zu produzieren, das die junge Konkurrenz vor Neid erblassen
lässt: "Clair-obscur", seit Anfang Mai 2000 in den
Läden, gilt schon jetzt als eines ihrer bedeutendsten Alben mit
13 anspruchsvollen und sensibel ausgewählten Liedern, in denen
sie Tradition und Moderne des Chansons spielerisch miteinander verwebt.
Neben
eigenen Stücken hat Françoise Hardy u.a. Kompositionen
von Django Reinhardt ("Tears" bzw. "Tous mes souvenirs
me tuent", ein wahrer Hörgenuss), Eric Clapton ("Theme
from a movie that never happened") und Jose Maria Cano, dem Sänger
der spanischen Band Mecano ("Un homme est mort") adaptiert
und überarbeitet.
Für
ihr ambitioniertes Unternehmen suchte sie sich kongeniale Unterstützung.
So nahm sie erstmals seit über 20 Jahren wieder ein Duett mit
ihrem Partner Jacques Dutronc auf ("Puisque vous partez en voyage"),
außerdem ein Remake von Don Everlys "So sad" mit Etienne
Daho, das wunderbare "Celui que tu veux" mit Ol., einem
jungen Sänger aus Afrika sowie das schon 1997 für den Sampler
"Jazz à Saint Germain" produzierte "I'll be
seeing you" im Duett mit Iggy Pop.
Die
sparsam eingestreuten Elemente aus Blues, Sinti-Jazz und Bossanova
geben der Produktion, neben perfekt inszenierten klassisch-feierlichen
Chansons, die rechte Würze, abgesehen von der Stimme der Hardy,
frisch, leicht und jung wie eh und je, aber natürlich mit all
der Raffinesse einer wirklichen Diva, deren beste Jahre vielleicht
erst begonnen haben.
AG
/ 23.06.2001
Foto: www.all-over-the-world.com