Mit
den Fugees landete sie 1996 einen veritablen Mega-Hit: Das Album "The
score" wurde millionenfach verkauft, die Single "Fu-gee-la"
rotierte rund um den Globus im Dauereinsatz, der dazu gehörige
Video-Clip war ein Dauerbrenner bei MTV & Co. Mit ihrem Solo-Debüt
"The miseducation of Lauryn Hill" kam der Kritiker-Erfolg
hinzu. Die fünf Grammys, die das Album einheimste, machten Lauryn
Hill zur wichtigsten und erfolgreichsten Hiphop- und Rap-Musikerin überhaupt.
Ihr
Vorteil: ein beachtliches musikalisches Talent, ungekünstelte
Authentizität, die energische, ausdrucksvolle und ewig heisere
Stimme, eine klare Sprache, deutliche und lebensnahe Texte ohne den
klischeehaften Habitus vieler ihrer männlichen Kollegen.
Ihre
Nähe zu verwandten Musikarten wie Funk und Soul machte sie auch
für Musikfans interessant, die mit Hiphop sonst nicht allzu viel
anzufangen wissen, und wenn man sie überhaupt mit anderen Bands
und Musikern vergleichen sollte, dann vielleicht mit der leider längst
aufgelösten Hiphop-Kommune Arrested Development.
Künftig
wird man im Zusammenhang mit Lauryn Hill auch überraschende Vergleiche
bemühen müssen: Tracy Chapman und Joan Armatrading, Janis
Joplin. Denn was Lauryn Hill anlässlich ihres Auftritts für
die legendäre MTV-Unplugged-Reihe in New York ablieferte, sprengte
wohl sämtliche Erwartungen, denn natürlich wartete die Musikwelt
seit dem überragenden Erfolg von "The miseducation of ..."
gespannt auf den Nachfolger.
Lauryn
Hill fand einen überzeugenden Weg, sich diesen Erwartungen zu
entziehen. Allein mit ihrer Gitarre betrat sie die MTV-Bühne
und stellte - im Gegensatz zum sonst üblichen Ablauf der Unplugged-Reihe,
bei dem Bands hinlänglich bekannte Titel mit akustischen Instrumenten
präsentieren, völlig neue und unbekannte Stücke vor
(mit Ausnahme von Bob Marleys "So much things to say" und
dem Traditional "The conquering lion").
Das
auf einer Doppel-CD festgehaltene zweistündige Konzert umfasst
neben den neuen Kompositionen auch zahlreiche Zwischentitel, in denen
Lauryn Hill ihre Geschichten ohne Gitarrenbegleitung vorträgt:
Sie erzählt, über sich, ihre Musik, ihren Werdegang, das
Leben, Gott.
Der
Erfolg, sagt sie in einem dieser Zwischentitel, habe sie als Geisel
genommen. Lange habe es gedauert, sich von diesen Zwängen zu
lösen. Die überwiegend sehr persönlichen Songs des
Unplugged-Albums sind ihr Versuch, sich von der "öffentlichen
Person", die sie in den letzten Jahren geworden sei, zu befreien
und einen Weg zurück zum eigenen Selbst zu finden. Der Weg muss
schwierig gewesen sein. Zwischendurch bricht sie in Tränen aus.
Lauryn
Hill hat die Notbremse gezogen, noch gerade rechtzeitig, bevor sie
die Kontrolle über ihre eigene Karriere verlor.
All
das trägt sie sympathisch und glaubwürdig vor, ohne Allüren
und Überheblichkeit, und mit einer gehörigen Portion Selbstironie.
"Was willst du da mit der Gitarre", sei sie gefragt worden,
und beantwortet sich die Frage lachend selbst: "Hiphop-Folk".
Früher habe sie zu viel auf das gegeben, was andere über
sie meinten, aber sie sei eben, wie sie sei, sagt Lauryn Hill achselzuckend
und macht dabei einen äußerst zufriedenen Eindruck, während
sie zum nächsten Lied übergeht.
Michael
Frost, 11. Mai 2002