Bei
der Durchsicht der jährlichen Grammy-Nominierungen ist man durchaus
erstaunt: Wer hätte wohl vermutet, dass der bedeutendste Musikpreis
der Welt auch in der Kategorie "Bestes Polka-Album" vergeben
wird?
Es
ist jedenfalls ein erster Hinweis auf die internationale Bedeutung
dieser traditionellen Musik, die man gemeinhin im Volksmusik-Ghetto
vermutet, doch glücklicherweise gibt es inzwischen nicht eben
wenige Gruppen, denen die Polka in einer frischen, authentischen Form
ans Herz gewachsen ist.
Die
17 Hippies aus Berlin etwa, spätestens seit ihrem Soundtrack
für den Berlinale-Sieger "Halbe Treppe" in aller Munde,
füllen ihr fantastisches Bühnenprogramm schon seit Jahren
mit wilden Polka-Tänzen, und auch das Quintett "HISS"
- benannt nach Band-Leader Stefan Hiss - ist um die halbe Welt gereist
und dabei auch in den entlegendsten Gegenden auf Polka-Rhythmen gestoßen.
"Polka
für die Welt" heißt ihr neues Album, für dessen
Cover die Gruppe sich vor den Hapag-Hallen in Cuxhaven fotografieren
ließen - ein recht beziehungsreicher Hinweis auf einen Ort,
der für die Verbreitung der Polka in die Welt eine bedeutende
Rolle gespielt haben dürfte, weil von hier aus die Auswanderung
der Europäer in die "neue Welt" begonnen hatte. Die
Auswanderer aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Polen und
Osteuropa, nahmen ihre Kulturen mit nach Nord-, aber übrigens
auch nach Südamerika.
Polka,
das ist vor allem die ausgelassene Fröhlichkeit durchtanzter
Nächte, in der die Mühen des Alltags nicht vergessen, aber
verarbeitet werden, weshalb sich gelegentlich schluchzende Geigen
und mancher Moll-Akkord in die Musik schleichen, jedoch nur, um anschließend
in einen umso wilderen Rhythmus umzuschlagen.
Ganz
gleich, ob finnisch, rumänisch, polnisch, afrikanisch, mexikanisch
- in der Polka werden alle Menschen gleich. So bekommt auch die das
Album beschließende "Friedhofspolka" (der Name klingt
nach Quadratur des Kreises) ihren Sinn, wenn es im Text heißt:
"Hier liegen die Guten, hier liegen die Schlechten // hier
liegen die Gemeinen, hier liegen die Gerechten // hier liegen die
Herren mitsamt ihren Knechten // und sie tanzen die Polka in mondhellen
Nächten".
©
Michael Frost, 28. Februar 2004