Als
sie klein war, wurde sie als "exzentrisch" bezeichnet, was
auf eine schwierige Kindheit hindeutet. Kinder, die sich von der Masse
unterscheiden, haben es meistens nicht besonders leicht. Die nötige
Anerkennung verschaffte sie sich durch ihr Talent als Entertainerin.
Als exzentrisch gilt Horse McDonald, mittlerweile erwachsen, gereift
und in den Startlöchern zu einer internationalen Karriere, noch
immer. Doch heute ist dies ein Vorteil; Voraussetzung ihres Ausdrucks
und ihrer unverwechselbaren Identität.
Vielen
Kritikern gilt sie schon lange als eine der interessantesten Stimmen
Großbritanniens. Ganz gleich, ob man sie in eine Reihe mit Charakterstimmen
wie Alison Moyet, Tracy Chapman, Joan Armatrading, Melissa Etheridge
oder Annie Lennox nennt, eines wird darin deutlich: Horse McDonald
singt in der ersten Liga der internationalen Songwriter-Szene, und
dies bereits seit ihrem Album-Debüt von 1990.
In
Deutschland ist Horse (noch) einigermaßen unbekannt. Die Künstlerin
ist nämlich auch erfreulich exzentrisch, wenn es um die Durchsetzung
ihrer musikalischen Visionen geht: Also hat sie nach längeren
Auseinandersetzungen mit Plattenfirmen ihr eigenes Label gegründet
("Randan") und veröffentlicht ihre Platten darauf praktisch
im Alleingang. Vielleicht aber rühren ihre Schwierigkeiten auch
daher, dass die offen lesbisch lebende Horse es vorzieht, in ihren
Liebesliedern eine Frau zu besingen anstatt gemäß marktüblicher
Klischees mit blonder Kieksstimme irgendwelche Kerle anzuschmachten.
Dass
ihr aktuelles Album "Hindsight ... it's a wonderful thing"
jetzt aber auch in Deutschland erscheinen konnte, ist dem Dortmunder
Pläne-Verlag zu verdanken - und dem Auftritt von Horse beim Christopher
Street Day 2001 in Köln. Aufgrund ihres Konzertes erhielt sie
offenbar so viele begeisterte Rückmeldungen, Anfragen und Einladungen,
dass eine Veröffentlichung in Deutschland denkbar wurde.
Das
nun also vorliegende Album zeigt Horse MacDonald in der ganzen Bandbreite
ihres Könnens. Kraftvoller und leidenschaftlicher Gesang, eine
große Vielfalt zwischen einfühlsamen Balladen, eingängigem
Ohrwurm-Pop ("Ship to shore") und opulent arrangierte Ausbrüche
von Temperament und Leidenschaft ("Breathe me") bestätigen
das eindrucksvolle Niveau ihres Könnens.
Die
Arrangements sind dabei, neben der Stimmgewalt von Horse McDonald,
die auffälligsten Merkmale des Albums. Tatsächlich beschäftigt
sie neben dem gängigen Rock-Instrumentarium (Gitarre, Bass, Drums)
ein ganzes Orchester aus Streichern, Bläsern und Harfe, zusätzlich
mehr als ein Dutzend Mitglieder des renommierten "Glasgow Phoenix
Choir". Sie bilden die Basis der ebenso zeitlosen wie originellen
Sounds, die "Hindsight ... it's a wonderful thing" zu einem
besonderen Erlebnis werden lassen.
Lange
Rede, kurzer Sinn: Es gibt sie noch, die anspruchsvollen Songs für
Herz und Verstand !
©
Michael Frost, 12.10.2002