Tracy Chapman

"Ich begegne nach wie vor Vorurteilen und Rassismus"

 

Schon ihr erstes Album war eine Offenbarung. "Talkin' about a revolution", "Fast car", "Behind the wall", natürlich "Baby can I hold you", leider nur diese vier Titel fanden den Weg auf ihr neues "Best of"-Album, und schon wühlen wir im Plattenschrank nach "For my lover", "Mountains o' things", "Across the lines" - aus heutiger Sicht war schon ihr Debüt von 1982 eine Best-of-Compilation.

Als gleichermaßen poetische und politische Liedermacherin ist Tracy Chapman eine Ausnahmeerscheinung geblieben. Die sparsamen Arrangements, die Gitarre, mit der sie schon 1988 beim Nelson Mandela-Tribute in der Wembley-Arena ein Millionenpublikum an den Fernsehschirmen rührte, der hochkonzentrierter Vortragsstil, dem jedes Pathos fern liegt, all das macht die ungebrochene Faszination Tracy Chapmans aus.
Im Interview spricht Tracy Chapman über Stationen ihres Werdegangs.

Tracy Chapman: Collection
(Eastwest 2001)

01. Fast Car
02. Subcity
03. Baby Can I Hold You
04. The Promise
05. I'm Ready
06. Crossroads
07. Bang Bang Bang
08. Telling Stories
09. Smoke And Ashes
10. Speak The Word
11. Wedding Song
12. Open Arms
13. Give Me One Reason
14. Talkin' Bout A Revolution
15. She's Got Her Ticket
16. All That You Have Is Your Soul

 



Frage: Gab es irgendein Schlüss
elerlebnis, das Sie zur Musik gebracht hat?

Tracy Chapman: Ich schreibe Songs, seit ich 8 Jahre alt bin. Und es ist schwer, jetzt soweit zurückzugehen, sich zu erinnern. Ich glaube, ein Grund, warum ich anfangen wollte, Gitarre zu spielen, war die TV-Show "Hee Haw", die meine Familie damals öfter ansah. Ich weiß nicht, ob diese Show auch in Deutschland gezeigt wurde. Das war eine Country-Show mit Buck Owens. Ein wenig Musical, Varieté, Comedy, und dann spielten sie noch Country-Songs auf diesen umwerfend aussehenden Akustikgitarren.

Ich habe meine Mutter so lange nach einer dieser schönen Gitarren gefragt, bis sie mir eine gekauft hat. Die Anfänge habe ich mir selbst beigebracht und später während der High School habe ich dann auch Unterricht genommen.

Frage: Sie sind in Cleveland, Ohio, geboren und aufgewachsen. In Cleveland steht die Rock'n'Roll Hall Of Fame, außerdem bezeichnet sich die Stadt gerne als Rock-Hauptstadt der Welt. Wie lange haben Sie dort gelebt und was waren die ersten Konzerte, die Sie dort gesehen haben?

Tracy Chapman: Ich habe in Cleveland gelebt, bis ich ungefähr 15 Jahre alt war. Dann bin ich mit einem Stipendium zur High School nach Connecticut gegangen und schließlich aufs College nach Boston. Eines der ersten Konzerte, das ich in Cleveland gesehen habe, war von Sarah Vaughan, der Jazz-Sängerin. Meine Mutter hatte mich mitgenommen. Zu Ray Charles hatte sie mich ebenfalls mitgenommen. Zu dieser Zeit habe ich keine Rock'n'Roll-Konzerte gesehen, obwohl es in Cleveland ein großes Angebot an Rock- und Folk-Konzerten gab. Das erste Rock-Konzert, das ich gesehen habe, war von King Crimson. Das war während meiner College Zeit und das war vielleicht noch nicht mal ein richtiges Rock-Konzert...


Frage: Mit Songs wie "Fast Car" und "Talkin' Bout A Revolution" standen sozialkritische Themen von Anfang an im Mittelpunkt Ihrer Songtexte. Können Sie trotz Ihres Erfolges noch unbefangen über sozialkritische Themen schreiben? Haben Sie sich nicht zu weit von den einfachen Verhältnissen der schwarzen Minderheit in den USA entfernt?

Tracy Chapman: Ich bin schwarz und werde immer schwarz sein. Ich bin eine Frau und werde immer eine Frau bleiben. Ich bin arm geboren. Auf deinem Bankkonto mag sich einiges bewegen, aber dein Klassenhintergrund wird sich niemals ändern. Ich habe keinen Einfluß darauf, wie mich andere Leute wahrnehmen. Aber es gibt gewisse Erfahrungen, die dich niemals verlassen werden.

Zum Teil liegt das daran, dass sich einige Dinge niemals ändern. Es gibt immer noch Leute, die mich unfair behandeln. Ich begegne nach wie vor Vorurteilen und Rassismus. Für einige Leute ist es völlig egal, wieviel Geld ich verdient habe, das verändert nicht die Art und Weise, in der sie mich sehen. In gewisser Weise ist das auch gut so. Aber wenn sie mich nicht als Person sehen, sondern nur meine Hautfarbe oder mein Geschlecht, oder irgendetwas anderes oberflächliches...


Tracy Chapman
bei CD-KRITIK.DE

Damit will ich nicht sagen, dass Hautfarbe oder Geschlecht nur oberflächliches darstellen, aber sie machen mit Sicherheit nicht die Gesamtheit einer Person aus. Insbesondere dann nicht, wenn die Wahrnehmung dieser Personen auf Stereotypen beruht (legt eine Pause ein)...Ich kann nicht behaupten, dass ich über den Zustand der armen schwarzen Bevölkerung in diesem Land sprechen könnte. Und ich glaube auch nicht, jemals behauptet zu haben, dies zu können. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Ich denke, dass sich die Demütigungen, die man durch Armut erfährt, nicht verändern. Alles, was ich jemals erfahren habe, wird auch immer noch die Erfahrung von Leuten sein, die kämpfen müssen. Und wenn ich andererseits nicht die Gelegenheit wahrnehme, für Leute zu sprechen, die nicht die Möglichkeit haben, für sich selbst zu sprechen, wer macht es dann? Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich jünger war, noch nicht den Erfolg meines ersten Albums erreicht und damit Geld verdient hatte... Ich weiß, dass es Leute gibt, die Menschen wie mir keine Aufmerksamkeit schenken. Ich weiß, Sie sitzen hier und sprechen jetzt mit mir...

Frage:...weil Sie Tracy Chapman, die Künstlerin sind...

Tracy Chapman: Genau. Ich will nicht ausschließen, dass wir uns auch auf der Straße treffen und ein vollkommen angenehmes Gespräch führen könnten. Aber ich mache mir da nichts vor...Tracy Chapman, die Tellerwäscherin, würde vermutlich hier jetzt nicht sitzen. (lacht)

Fotos und Interview mit freundlicher Genehmigung von Eastwest Records.
www.eastwest.de

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