Zuletzt 
          sichtete man das umtriebige Kronos Quartet in Mexiko. Dort spielten 
          sie ihr Album "Nuevo" ein. Anschließend machten sie 
          sich auf die Reise zur gegenüberliegenden Seite des Globus: Indien. 
          Die Strecke ist symptomatisch für das Quartett und seine "furchtlose 
          musikalische Pioniertätigkeit" (Pressetext): Kein Weg ist 
          weit genug, kein Experiment ist zu exotisch, keine Herausforderung ist 
          zu herausfordernd.  
          Mit 
            "You've stolen my heart" setzen David Harrington und John 
            Sherba (Violine), Hank Dutt (Viola) und Jennifer Culp (Cello) nun 
            dem indischen Filmkomponisten Rahul Dev Burman ein Denkmal. Burman 
            gehört zu den bedeutendsten Soundtrack-Komponisten des so genannten 
            Bollywood-Kinos. Mehr als 330 Filme unterlegte der 1994 verstorbene 
            Burman mit seiner Musik. 
          Zwölf 
            seiner Kompositionen wählte das Kronos Quartet für seine 
            Hommage aus. Darüber hinaus gelang es ihnen, Burmans Ehefrau 
            als Partnerin zu gewinnen. Asha Bhosle, deren Name in Europa vermutlich 
            nur Szenekennern ein Begriff ist, ist in ihrer Heimat eine lebende 
            Legende. Mit 20.000 Liedern (in 19 Sprachen) gilt sie als meistaufgenommene 
            Vokalistin der Welt. Das indische Pendant zum Oscar erhielt sie acht 
            Mal, darüber hinaus u.a. den Grammy und den BBC Lifetime Achievement 
            Award. 
          Neben 
            Asha Bhosle verpflichtete das Kronos Quartett den indischen Percussionisten 
            Zakir Hussain und die Chinesin Wu Man, eine Virtuosin der Pipa, der 
            chinesischen Laute. Die verschiedenen Zutaten (nach einer indischen 
            Gewürzzubereitung spricht das Kronos Quartett augenzwinkernd 
            von einer "musikalischen Masala") werden gewohnt souverän 
            und mit sensiblem Gespür für Stimmungen miteinander verwoben. 
            Virtuose Tablarhythmen kontrastieren elegische Streichersätze, 
            untermalt von Elefantenrufen und Monsunregen fangen sie die Atmosphäre 
            der Musik ein. 
          Die 
            Stimme der inzwischen 73-jährigen Asha Bhosle wandelt mit traumwandlerischer 
            Sicherheit und großer Erfahrung zwischen indischen und europäischen 
            Harmonien, und dabei klingt ihre Stimme genauso jugendlich und leicht, 
            wie man es aus Bollywood-Filmen kennt. 
          Das 
            Kronos Quartett hingegen agiert mit der gewohnten Rast- und Ruhelosigkeit, 
            präsentiert sich mal in romantischer Eintracht, um sich kurz 
            darauf in epischer Breite zu einem ganzen Filmorchester auszubreiten 
            - ganz in der Tradition ihres bisherigen Werks, für das ihm - 
            wie gesagt - kein Weg weit genug ist, und kein Experiment zu exotisch. 
            So kann man nur mutmaßen, an welchem Ende der Welt die vier 
            Welt-Musiker demnächst wieder faszinieren werden. 
          
          © 
            Michael Frost, 20.08.2005