Sein 
          Ruf eilt ihm voraus. "M", so heißt es, sei ein echter 
          französischer Superstar. Der Buchstabe "M" (für 
          Matthieu, seinen Vornamen, unter dem er 1971 geboren wurde) ergibt sich 
          schon durch die Linienführung seiner exzentrischen Frisur, die 
          seinen Wiedererkennungswert ebenso beträchtlich steigert wie der 
          pink-farbene Anzug im Elvis-Stil, den er auf dem Cover seines aktuellen 
          Albums trägt - und die gleichfarbige Gitarre, die allesamt einem 
          grellbunten Comic entstiegen sein könnten.  
          Schon 
            dieses Outfit könnte ausreichen, M als Marke zu etablieren. Werbestrategen 
            zerbrechen sich regelmäßig die Köpfe über die 
            größtmögliche Simplizität ihres Produkts - die 
            im Falle von M kaummehr steigerungsfähig erscheint. Es sei denn, 
            zur unverwechselbaren Form gesellte sich ein ebensolcher Inhalt, der 
            die enormen Verkaufszahlen (von "Qui de nous deux" wurden 
            in Frankreich bereits 300.000 Exemplare abgesetzt) rechtfertigen könnte.
          Was 
            die Musikfans im französischsprachigen Europa so fasziniert, 
            ist vermutlich die rasante Mixtur aus Glamrock, Elektropop, Disco, 
            Ethno und klassischem Rock'n'Roll, die M auf höchst unkonventionelle 
            und eigenwillige Weise kreiert. "Qui de nous deux" ist eine 
            wahre Achterbahnfahrt zwischen sanft wogenden Balladen, durch die 
            er mit hoher, heiserer Stimme steuert, kühlen Elektro-Grooves 
            und krachenden Rocksongs, die er allerdings mit zeitgemäßen 
            Klangkonzepten umsetzt. An Elvis erinnert hier lediglich der groteske 
            Style seines Smokings. 
          Bereits 
            mit dem ersten Song "Mon ego" wird das Konzept "M" 
            deutlich. Der Rhythmus stammt aus den Sechzigern und dürfte jüngere 
            Hörer an den Britpop à la Oasis erinnern. Im Unterschied 
            zu deren peinlicher Selbstinszenierung durchbricht M den Retrosound 
            aber bereits mit dem bissigen Text, in dem er sich über die Charts-Fixierung 
            der Musikindustrie lustig macht. 
          Diesen 
            Erfolg hat er zwar mittlerweile selbst, doch die gerüttelte Portion 
            Selbstironie dient ihm vermutlich auch als Schutz vor der Verführung, 
            und als Versteck - hinter der schrillen öffentlichen Fassade 
            lässt es sich vortrefflich in Frieden mit sich selbst leben. 
            So ist es ausgerechnet die Authentizität der Kunstfigur "M", 
            die ihren Erfolg begründet. 
          Das 
            Verhältnis der Privatperson Matthieu Chédid zum öffentlichen 
            Alter Ego "M" ist sogar Gegenstand eines Songs, nämlich 
            in "Je me démasque", übrigens einem Titel, dessen 
            Text von seiner Großmutter, der Schriftstellerin Andrée 
            Chedid, stammt. Doch letztlich ist es der Albumtitel selber, der die 
            Frage der Identitäten von Autor und Bühnenfigur aufwirft: 
            "Qui de nous deux" fragt M, "inspire l'autre?" 
            - Wer von uns beiden inspiriert wen?
          © 
            Michael Frost, 06.10.2004