Die 
          DPA rief bereits "Frankreichs Herbst der Legenden" aus. Henri 
          Salvador, Juliette Gréco, Charles Aznavour - sie alle veröffentlichten 
          in den vergangenen Wochen neue Alben, zum Teil nach mehrjährigen 
          Pausen.  
          Da 
            mag auch Georges Moustaki, ein weiterer klingender Name des französischsprachigen 
            Chansons, nicht abseits stehen. Hatte der inzwischen 69-Jährige 
            seine Karriere noch zu Jahresbeginn mit einer 10 CDs umfassenden Werkschau 
            Revue passieren lassen, imponiert er nun mit neuem Material, schlicht 
            "Moustaki" betitelt, ein Markenname, der seit vielen Jahren 
            kaum noch weiterer Erklärungen bedarf. 
          Das 
            war nicht immer so. Moustaki, griechischer Abstammung, aber in Alexandria 
            (Ägypten) geboren, kam erst als junger Erwachsener nach Paris, 
            wo er sich im Laufe der Jahre als Texter und Komponist etablieren 
            konnte. Mit Edith Piaf arbeitete er viele Jahre zusammen, für 
            sie schrieb er auch seine wohl berühmteste Komposition: "Milord". 
            
          Wie 
            bei seinem italienischen Kollegen Paolo Conte dauerte es aber einige 
            Jahre, bis er begann, seine Kompositionen selbst vorzutragen. Chanson-Klassiker 
            wie "Ma liberté" oder "Ma solitude" gehörten 
            in den 60er Jahren zunächst zum Repertoire von Serge Reggiani, 
            andere Lieder wurden durch Henri Salvador, Brel, Yves Montand, Georges 
            Brassens und Barbara berühmt. Erst seit 1969 veröffentlicht 
            Georges Moustaki eigene Platten. Poesie und politische Aussage standen 
            dabei für ihn nie im Widerspruch, und so wurde er auch international 
            ein gefeierter Liedermacher. 
          Nun 
            also meldet Moustaki sich mit einem Dutzend neuer Chansons zurück. 
            Mit gewohnt sonorer Melancholie in der Stimme, die nichts aus der 
            Ruhe bringen kann, beschwört er die Geister der Vergangenheit, 
            etwa im Eröffnungslied "Odeon", das eine Hommage an 
            alte Pariser Kinotage ist. Paris ist auch das Thema einer leisen Liebeserklärung 
            am Ende des Albums, dessen Textzeile wiederum Bezug auf einen anderen 
            Klassiker aus dem Piaf-Repertoire nimmt: "Paris a le coeur tendre 
            // et c'est doux de l'entendre // sous le joli ciel de Paris 
            // on souffre on pleure on chante on rit ..."
          Eine 
            überraschende, sehr bezaubernde und charmante Liebeseklärung 
            widmet Moustaki auch der britischen Schauspielerin Emma Thompson. 
            "Emma, ich liebe Sie" lautet der Refrain - "Emma, 
            je Vous aime", und Emma Thompson antwortet ihm direkt, mit 
            Augen zwinkernder Verwunderung: "Man könnte sagen, Georges, 
            dies sei ein Liebeslied". 
          Wie 
            bereits angedeutet war Moustaki aber nicht immer "nur" der 
            Romantiker. Viele seiner Lieder haben eine politische Dimension, manchmal 
            nur unterschwellig, doch das war vielen Autoritäten schon zuviel. 
            Einige seiner Chansons waren in Italien und Spanien zeitweise verboten 
            - wegen allzu freimütiger Interpretation biblischer Textvorlagen, 
            andere fielen aus politischen Gründen der Zensur zum Opfer, sei 
            es in Spanien während des Franco-Regimes, sei es in seiner griechischen 
            Heimat während der Militärdiktatur, wo sein Text zu "Le 
            Métèque" in einer von Melina Mercouri gesungenen 
            Version zur Hymne gegen die Obristen wurde.
          Sein 
            Lebenswerk ist überreich an großen Momenten und Melodien. 
            Ans 
            Aufhören denkt der fast 70-Jährige allerdings längst 
            nicht. "Ich werde gehen (eines Tages vielleicht)" heißt 
            ein Chansons auf "Moustaki". "Ich werde gehen - eines 
            Tages viellecht", singt er, "wenn ich nichts mehr zu tun 
            habe // dann werde ich die Türen und die Fenster schließen 
            // um mich vor dem Winter zu schützen"
          Aber 
            "nichts mehr zu tun haben", das vermag man sich bei Moustaki 
            nicht vorzustellen. Denn auch wenn die Rede vom konzertierten Angriff 
            der "Alten" gegen den jungen Chanson-Nachwuchs wohl etwas 
            übertrieben sein dürfte, so macht Moustaki mit seinem Album 
            doch überdeutlich, dass es keinen Anlass gibt, sich aufs Altenteil 
            zurückzuziehen. Von ihm kann man immer noch lernen.
          © 
            Michael Frost, 28. November 2003