"C'est 
          bon aujourd'hui ..." - Für Raphaël ist die Welt in Ordnung. 
          Nur drei Alben hat der junge Franzose (Jahrgang 1975) gebraucht, um 
          sich an die Spitze des französischen Musikolymps zu singen. Gleich 
          dreifach wurde er bei den "Victoires de la Musique", dem französischen 
          Grammy-Pendant, ausgezeichnet, und das zudem in den Hauptkategorien: 
          Bester Interpret, Bestes Album, Bester Song.  
          Bereits 
            im April hatten die Frankreich-Experten vom Saarländischen Rundfunk 
            "Raphaël Superstar" zum Schwerpunkt der wöchentlichen 
            Sendung "Rendez-vous chanson" erhoben, und dank des allgemein 
            gewachsenen Interesses am Neo-Chanson erschien das dekorierte Album 
            "Caravane" im Juni auch in Deutschland. Seither läuft 
            es auch in unserer Redaktion in "heavy rotation", die vorigen 
            Alben ("Hotel de l'univers"/2000, "La realité"/2003), 
            bisher nur in Frankreich erhältlich, wurden inzwischen auf privatem 
            Wege importiert.
          Was 
            macht das Phänomen Raphaël aus? Da ist zunächst und 
            vor allem seine Stimme, die immer im Nichts zwischen Melodieführung, 
            melancholischem Selbstgespräch, aufgewühltem Flüstern 
            und Stimmbandentzündung verharrt. Damit steht Raphael in klassischer 
            Linie mit vielen seiner alten - Brassens, Gainsbourg - und neuen Kollegen 
            - Biolay, Saez - allesamt keine Sänger im üblichen Sinne, 
            dafür aber Charakterstimmen. Raphaels Timbre ist hoch emotional, 
            leidenschaftlich, bisweilen schmachtend und flehend, und dennoch niemals 
            süßlich oder kitschig-sentimental.
          Raphaël 
            kehrt, so scheint es, ohne Scheu sein Seeleninnerstes nach Außen. 
            Diese Authentizität gibt seinen Liedern manchmal eine geradezu 
            Atem beraubende Dichte, wenn er sich etwa in der Hommage an den Schauspieler 
            Patrick Dewaere ("Les Valseuses"/"Die Ausgebufften") 
            mit dessen Schicksal auseinander setzt. Dewaere hatte sich 1985 im 
            Alter von 35 Jahren das Leben genommen. Auch vor politischen Themen 
            macht er nicht halt: In "Schengen" geißelt er die 
            Abschottung Europas, "La ballade du pauvre" erzählt 
            die Geschichte eines Obdachlosen.
          Was 
            nach Abgrund und schwerer Atmosphäre klingt, kontrastiert Raphaël 
            virtuos durch seine Arrangements. Die Songs durchzieht ein roter Faden 
            aus Pop, Chanson und Folkrock; die Mundharmonika grüßt 
            Bob Dylan, Neil Young wird geschmeichelt, auch das chanson-typische 
            Akkordeon fehlt nicht ("Et dans 150 ans"), der dramaturgische 
            Aufbau der Songs erinnert bisweilen an Nick Cave. 
          Raphaël 
            selbst sieht sich als "Kind der 80er", nennt Bands wie Noir 
            Desir als Vorbild, und natürlich David Bowie, für den er 
            2003 bereits das Vorprogramm bestritt. Bowies langjähriger Gitarrist 
            Carlos Alomar und Keyboarder Simon Edwards stehen ihm auf "Caravane" 
            zur Seite, außerdem Simon Edwards (Talk Talk) und Richard Kolinka 
            (Téléphone). 
          Keine 
            Frage, dass für Raphaël die Welt in Ordnung ist. "'Caravane' 
            gehört ohne Zweifel zu den schönsten und außergewöhnlichsten 
            Alben, die in letzter Zeit von Frankreich aus den Weg nach Deutschland 
            gefunden haben", freut sich auch die Plattenfirma (Pressetext), 
            und dem ist tatsächlich nichts hinzuzufügen, außer 
            einer freundlichen Ermutigung: "Wo das herkommt, ist noch viel 
            mehr!"
          © 
            Michael Frost, 20.08.2006