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Wahnsinnsband


Was für eine Wahnsinnsband hat Gonzalo Rubalcaba hier zusammengebracht! Der 44-jährige Pianist hat offenbar ein Gespür für Talente. Auf seinem 13. Blue Note Album stellt er sich als Teil eines so großartigen Quintetts vor, dass wir ihm wünschen, die sympathische Gruppe möge nicht nur für diese eine Produktion gesucht und gefunden worden sein.

„Avatar“ heißt die CD - nach dem New Yorker Studio, in dem fünf Musiker, die niemals zuvor zusammen gespielt hatten, nach dreiwöchiger Probe Aufnahmen produzieren, die klingen, als würde hier ein seit jeher eingeschworenes Ensemble miteinander agieren. Rubalcaba hat den Mut, den Musikern Raum und Zeit zu lassen: sieben Titel, fast alle 10 Minuten und länger, das heißt Zeit für weit geschwungene Improvisation, für fiebrige Soli, für den Wechsel von Stimmen und Stimmungen.

Drei der Stücke sind von dem Saxophonisten Yosvany Terry, der nicht nur ein Feeling für dunkle, wirkungsvolle Riffs hat, für kurze Motive mit heftigen Sprüngen - als Instrumentalist entwickelt Terry einen außerordentlich warmen und weichen Ton, und wenn er sich solistisch auf Sopran-, Alt- und Tenorsaxophon ins Geschehen einmischt, dann scheint die Zeit für Sekunden still zu stehen, denn er bricht mit dem vorgegebenen Rhythmus, er spielt sich leise und sanft ins Stück hinein, er schmiegt sich ebenso der Musik an wie dem Spieler, den er ablöst, um dennoch deutlich eigene Zeichen zu setzen.

Terry war der erste, den Rubalcaba für dieses Album angesprochen hatte. Beide kannten sich aus Kuba, wo der Saxophonist die Konzerte des Älteren besuchte. Dann wurde Mike Rodriguez (Trompete, Flügelhorn) dazu gebeten. Er war schon bei Charlie Hadens Album „Land on the sun“ (vgl. CD-Kritik) dabei. Eine gute Wahl, denn Rodriguez feiner wenn auch kühlerer Ton passt genau zu Terrys aufregender Mischung aus extremer Gelassenheit und feurig nervösem Spiel, in das sich der Pianist besonders dann einmischt, wenn das musikalische Gerüst gehalten werden soll.

Rubalcaba spielt rasend schnelle Läufe ohne jede Koketterie, sein Spiel hat die klaren Konturen eines klassischen Pianisten, vor allem drückt es eine anrührende Schlichtheit aus. Die sieben Stücke des Albums sind so eng verzahnt wie eine gut gebaute Suite. Die langsamen, lyrischen Mittelsätze wirken ebenso stark sind wie die tempogeladenen Eingangsnummern.

Der Schluss - eine Komposition des kubanischen Komponisten Alejandro Garcia Caturla (1906 – 1940) ist nochmals eine kleine Entdeckung: In „Preludio Corto Nr. 2 for Piano“ spielt Rubalca laut eigener Aussage das Stück im Original ohne jede Improvisation, die überlässt er seinen Mitspielern, dem diskret einfühlsamen Bassisten Matt Brewer, der hier sein virtuoses Können zeigt, und noch einmal Yosvany Terry, der sich wieder zu einem dieser schönen Bögen hinreißen lässt, der sich in die Musik scheinbar absichtslos hineinfallen lässt, um sie aufzusaugen und weiterzutragen, bis Gonzalo Rubalcaba ihn ablöst, - ein sensibles Zusmmenspiel, das von der filigranen Percussion-Arbeit des Drummers Marcus Gilmore stets klug unterstützt wird. „Avatar“ ist ein faszinierendes NewYorker Jazz-Album.

© Hans Happel, 13.04.2008

 


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