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Wider die reine Lehre


Druckvoller Groove, hypnotisierende Drums, eine lässig-coole Trompete - so kennt man "Rose Rouge", den faszinierenden Hit von St. Germain, längst ein Klassiker der NuJazz-, House- und Dub-Szene. Hinter dem profilierten Sound steckt Ludovic Navarre, der sich auf dem Album "Tourist" bescheiden als "Conducteur" (Dirigent) bezeichnete, in Wirklichkeit aber Mastermind seines eigenen Projektes St. Germain ist.

Der Sound von St. Germain hat alles, wofür Moby sein Leben geben würde. Dem aber fehlt die authentische Auseinandersetzung mit den Stilrichtigungen, die für Navarre unverzichtbare Bestandteile von St. Germain sind: der Cool-Jazz der 60er Jahre, Funk, Soul und Blues, Marvin Gaye, Curtis Mayfield und Miles Davis. Von ihnen übernahm er das Gespür für Instrumente und Arrangements, um diese mit mit lässigen Beats , House- und Loungerhythmen zu unterlegen. Dabei erschuf er ein Kaleidoskop von dreidimensionalen Klängen aus Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft - eine Seltenheit in der oftmals seichten Chill/Lounge-Szene.

Die bereits erwähnte Trompete bei St. Germain spielt Pascal Ohsé, in Paris geboren, mit Wurzeln in Guinea. Unter dem Namen Soel veröffentlicht Ohse nun ein eigenes Projekt. "Memento" heißt sein - übrigens von Ludovic Navarre produziertes - Debütalbum. So bleibt alles in der Familie, und der Sound von Soel raht sich nahtlos in die bisherigen St. Germain-Produktionen ein. Allerdings nicht als Kopie, sondern als konsquente Fortsetzung.
Funk, Soul und Latinjazz sind die beherrschenden Rhythmen. Trompete, Orgel und Flöte heizen die Stimmung an, Kontrabass und Drums sorgen für die nötige Bodenhaftung des Sounds - so stellt man sich Jazz im 21. Jahrhundert vor, auch wenn Ohsé selbst unterstreicht, dass er "Memento" weder für ein Jazz- noch für ein Electronica-Album hält.

Im traditionellen Verständnis der Stile hat er damit Recht. Doch die Zukunft gehört sowieso nicht der "reinen Lehre", sondern solchen Musikern, denen es gelingt, die losen Enden unterschiedlicher Genres miteinander zu verknüpfen und daraus neue Inspirationen zu schöpfen. Und hierzu gehört eindeutig auch Pascal Ohsé, alias Soel.

© Michael Frost, 21. Oktober 2003


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