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Die Liebe in den
Zeiten des Terrors


Seit seinem Solo-Debütalbum "The Dream of the Blue Turtle" (1985) ist Sting eine Art Echo der zeitgeschichtlichen Stimmung. Mit charmant naiven Zeilen wie "I know the Russians love their children too" sang er damals in bester Liedermacher-Tradition gegen den Kalten Krieg an.

Der ist inzwischen überwunden und hat einer ganz anderen Bedrohung Platz gemacht. Doch der neuen Weltunordnung ist in den gewohnten Kategorien nicht mehr beizukommen. Neue Zeiten erfordern neue Antworten, und die Neue Zeit beginnt für Sting am 11. September 2001 mit den Terroranschlägen auf New York. "Sacred Love", sein neues Album, nimmt zwar nur selten direkten Bezug auf das Ereignis und seine Folgen, ist jedoch als Andeutung allgegenwärtig.

Bereits im ersten Titel des Albums "Inside" offenbart Sting seine ganze innere Zerissenheit. Mit seltsam gebrochener Stimme intoniert er die ersten Zeilen, die als Ausgangspunkt für das gesamte Album Gültigkeit besitzen: "Inside the doors are sealed to love". Sting: "Wir leben zurückgezogen und haben Angst vor der Welt da draußen. Doch an den Toren wütet ein Sturm, früher oder später muss man die Tür öffnen und sich mit der Welt auseinander setzen."

Das Rezept für die Konfrontation mit dem "Outside" ? - Stings Antwort ist ebenso banal wie bestechend: Liebe. "Send your love into the future" heißt es in einem weiteren Song, und da ist sie wieder, die irritierende Naivität aus "The Dream of the Blue Turtle", und wie gerne möchte man ihm glauben, wenn er den Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen entgegen ruft: "There's no religion but sex and music, there's no religion but sound and dancing".

So wird "Sacred Love", das einzige noch gültige Heiligtum der Menschheit, zum Allheilmittel. Die simple Botschaft irritiert, weil man gewohnt ist anzunehmen, das komplizierte Probleme vielschichtige Antworten erfordern. Zwar ist Sting in Wirklichkeit selbstredend nicht so naiv, wie es in manchen seiner Texte den Anschein hat. Die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft ihre Konflikte zu lösen vergleicht er etwa mit einer gescheiterten Paarbeziehung: "They opened up all the wounds of the past as they failed to find their way to the future" ("Forget about the future"). Dennoch fragt man sich angesichts gelegentlicher lyrischer Rückfälle in Grüne Gründerzeiten ("There's a war upon the forests, on the birds and the bees"), ob er sein Publikum nicht unterschätzt.

Und gelänge es ihm nicht immer wieder, solche Abrutscher in den Kitsch durch seine über die Maßen gelungenen Kompositionen und Arrangements vor der Peinlichkeitkeit zu bewahren, fiele das Gesamturteil weit weniger positiv aus.

Doch in musikalischer Hinsicht weiß Sting mehr denn je zu überzeugen, brilliert mit klar geschliffenen Songstrukturen, einer dramaturgisch ausgereiften Mischung zwischen gefühlvollen Soul-Balladen (fantastisch: Das Duett "Whenever I say your name" mit Mary J. Blige), rockigem Gitarrensound ("This war") und der gewohnt vorsichtigen Dosis Weltmusik ("The Book of my Life") - diesmal indischer Herkunft - mit Anoushka Shankar an der Sitar.

"Sacred Love" sei für ihn eine mentale Anstrengung gewesen, sagt Sting selbst über seinen Versuch, die Stimmung nach dem 11. September in Worte und Töne zu fassen. In seiner verzweifelten Ratlosigkeit und seinem vorsichtigen Tasten nach Antworten auf unverständliche Fragen ist Sting wohl auch im Jahr 2003 das, was er schon 1985 war: ein Echo unseres kollektiven Bewusstseins.

© Michael Frost, 23. September 2003

HINWEIS:

- Sting "Sacred Love" erscheint als Super Audio CD (SACD) am 22.09.2003.
- Die 'normale' CD ist ab 29.09. im Handel.
- Ab 06.10.2003 wird zudem die DVD "Inside: The Songs of Sacred Love" veröffentlicht.
(Alle Produkte: Polydor Island)

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