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Prädikat: Virtuos


Ohne ihn, so scheint es, geht in der aktuellen französischen Musikszene gar nichts mehr. Yann Tiersen schwebt auf einer nicht abebbenden Welle des Erfolges, den er vor allem dem Zauber des französischen Kino-Hits "Die fabelhafte Welt der Amélie" verdankt, doch der wiederum verdankt seinen Zauber zu einem großen Teil Yann Tiersen, der die Filmmusik geschrieben hat: leichte und gefühlvolle Melodien, getragen hauptsächlich von Klavier, Geigen und Akkordeon (überwiegend von ihm selbst gespielt), schwelgend und selbstvergessen, oft ein wenig schüchtern wie der Blick ihres Schöpfers oder das hinreißend naive Lächeln der fabelhaften Amélie ...

Der Publikumszuspruch blieb ihm über "Amélie" hinaus treu. Yann Tiersen veröffentlichte zu Beginn 2002 sein Studioalbum "L'absente", auf dem er mit verschiedenen anderen Künstlern kooperierte (u.a. Dominique A., Lisa Germano, Les Têtes Raides). Allein in Frankreich wurden 150.000 Exemplare verkauft, und auch in Deutschland wurde L'Absente in den Albumcharts notiert - ein beachtlicher Erfolg.

Beachtlich deshalb, weil seine Musik so gar nicht den gängigen Strömungen zugeordnet werden kann. Er wandelt mit sicherem Gespür zwischen Pop und Klassik, Chanson und E-Gitarre, Minimalismus und großem Gefühl: Yann Tiersen ist ein Meister intimer Kleinode ("La valse d'Amélie) ebenso wie der orchestralen Klänge, und vor allem letztere gibt es auf seinem gerade erschienen Live-Album "C'était ici" reichlich.

Im Februar 2002 spielte er an drei aufeinander folgenden Abenden live in Paris. Was er dort auf die Bühne brachte, verdient vor allem ein Attribut: virtuos.
Virtuos deshalb, weil er die Orchestersätze des ihn begleitenden 35-köpfigen "Ensemble orchestral Synaxis" unter der Leitung von Gullaume Bourgogne selbst und extra für die drei Konzerte schrieb.
Virtuos auch deshalb, weil einem die atemberaubende Klavier- und Violinenakrobatik seiner Musik auch unter Live-Bedingungen direkt unter die Haut fährt -
virtuos, weil er seine Mitmusiker (insgesamt sechsundvierzig Personen, die zahlreichen Gaststars noch nicht mit eingerechnet) stets an der richtigen Stelle einzusetzen weiß, weshalb der fast zweistündige Mitschnitt ("C'était ici" ist eine Doppel-CD) eine wahre Tour de Force durch alle nur denkbaren Gefühlslandschaften wird.

Ausladende Orchester-Ouvertüren werden übergangslos von verträumten Piano-Soli abgelöst, die ihrerseits in mitreißenden Geigensätzen aufgehen, und der Gesang so unterschiedlicher Gastsänger wie Claire Pichet, Lisa Germano, Christian Quermalet und Dominique A. produziert wiederum ganz neue Klangfarben.

Am Ende des Konzertes, nach nicht enden wollenden Applauses werden die Zuhörer noch mitgenommen in den Backstagebereich. Zum Schluss hört man einen knallenden Champagnerkorken. Ein letzter Ton der fabelhaften Klangwelt des Yann Tiersen - und würdiger Abschluss eines (wie bereits gesagt) virtuosen Konzerts.

© Michael Frost, 05. Oktober 2002


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