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Weder Jekyll noch Hyde


Die Frankreich-Spezialisten Oliver Fröschke und Rolf Witteler lassen nichts unversucht, dem deutschen Publikum einen der brilliantesten Vertreter der "Nouvelle Scène" schmackhaft zu machen: Jérôme Minière. Sie featuren Minière sogar auf beiden der von ihnen herausgegebenen "Le Pop"-Compilations und entschieden sich zwischenzeitlich, erstmals ein Minière-Album auf dem deutschen Markt zu veröffentlichen: "Petit Cosmonaute", in Frankreich bereits seit 2002 im Handel, soll jetzt auf dem eigens gegründeten "Le Pop"-Label erscheinen.

"Das Kunststück, als Elektroniker und Chansonnier gleichermaßen ernst genommen zu werden, ist bisher noch Seltenheit", schreiben Fröschke/Witteler im Pressetext zum Album. Diese rare Fähigkeit macht Jérôme zum männlichen Gegenstück zu Françoiz Breut ("Vingt à trente mille ans"). Wie Breut - und übrigens auch "Amélie"-Soundtrackkomponist Yann Tiersen - begann Minière seine Karriere beim Independent-Label "Lithium". Dort veröffentlichte er seine ersten Alben "Monde pour n'importe qui" (1996) und "La nuit éclaire le jour qui suit" (1998), bevor er seinen Wohnsitz in den französischsprachigen Teil Kanadas verlegte.

In Kanada entwickelte er neben der Arbeit für eine Filmmusik ("Du pic au Coeur", 2001) eine Kunstfigur namens "Herri Kopter", ein Alter Ego, wie einst David Bowie seinen Ziggy Stardust und Gainsbourg den "Gainsbarre". Ausgestattet mit einer eigenen Kunstsprache sowie erfundener Biografie entwickelte Minière-Kopter sein elektronisches Projekt "Jérôme Minière présente Herri Kopter", während er die CD "Petit Cosmonaute" parallel unter seinem richtigen Namen herausbrachte.

Dennoch ist Minìere kein chansonesquer Dr. Jekyll, und entsprechend ist Herri Kopter kein digitaler Mr. Hyde. "Petit Cosmonaute" bietet dem Zuhörer genau den beschriebenen Spagat zwischen beiden Extremen. Genau diese Fähigkeit ist es schließlich, die ihn zu einem der wichtigsten Erneuerer des Chansons macht. Er ist ein einfühlsamer Songwriter mit sensiblem Gespür für atmosphärische Stimmungen ebenso wie ein lustvoller Computerfreak, ein Anhänger des Cool-Jazz und Liebhaber spannungsvoller Wechselwirkungen unterschiedlicher Instrumente.
Entsprechend ungewöhnlich und unberechenbar ist sein kreativer Output.

Zum "Petit Cosmonaute", zum kleinen Kosmonauten, wird man letztlich selbst: Den Kopfhörer fest über den Ohren, bricht der Zuhörer auf, gilt es doch, ein bisher unbekanntes Universum zu entdecken.

© Michael Frost, 01. März 2004


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