HECHO EN CUBA
Der Mythos Buena Vista Social Club

Als Ry Cooder die Handvoll in Ehren ergrauter Musiker in Havanna versammelte und zu einer Neuaufnahme ihrer alten Titel veranlasste, wird er sich der vitalen Explosivität ihrer Sound bewusst gewesen sein. Dass daraus ein Grammy-prämiertes Album wurde, hätte man vielleicht auch nicht wirklich ausschließen mögen. Dass jedoch zwei Jahre später, als der deutsche Filmemacher Wim Wenders Cooder auf einer erneuten Reise nach Kuba begleitete, um die Arbeit an Ibrahim Ferrers Solo-Album zu dokumentieren, der Grundstein für eine nicht enden wollende Kuba-"Welle" gelegt wurde, dürfte für niemanden vorhersehbar gewesen sein - am wenigsten vielleicht für den "Buena Vista Social Club" selber. Jetzt erschien ein weiterer Sampler mit Originalaufnahmen aus dem "Frühwerk" der "Club"-Mitglieder.


Vor allem Europa wurde von einer Welle der Begeisterung für Son und Salsa erfasst, der den kubanischen Sängern und Musikern späten Ruhm und materielle Unabhängigkeit bescherte. Entschädigung für eine wechselvolle Geschichte im Spannungsfeld der politischen Umstände, über die die Band-Mitglieder nicht gern sprechen. Ihrer Lebensfreude haben manche Komplikationen jedenfalls keinen Abbruch getan - im Gegenteil: Die Flasche ist entkorkt, und die vitalen Geister Havannas lassen sich längst nicht mehr zurücksperren.

Inzwischen findet man sie unvermutet an den ungewöhnlichsten Orten der Musikwelt: Ibrahim Ferrer beispielsweise, der sympathische Mittsiebziger, dessen Sangesfreude sich durch das fröhliche Aufblitzen seiner Augen verrät, traute sich schon mit Damon Albarns "Gorillaz" vors Mikrofon.


Singt auch mit den GORILLAZ:
Ibrahim Ferrer




Auch ohne den "Club" ein Hörgenuss:
Compay Segundo "Duets" (oben)
Omara Portuondo (unten)

Oder Compay Segundo, der Grandseigneur der Truppe, der 2002 mit einem "Duett"-Album überraschte, auf dem er sich mit Gesangspartnern zwischen Cesaria Evora, Charles Aznavour, Antonio Banderas und Khaled und damit die ganze Bandbreite seines Könnens präsentierte.

Ob Pianist Ruben Gonzales, die Sängerin Omara Portuondo, Pio Leyva oder Gitarrist Eliades Ochoa - auch die anderen "Club"-Mitglieder sind längst mit eigenen großartigen Alben auf dem Plattenmarkt vertreten. Ihr Nachholbedarf ist groß, und trotz ihres mittlerweile hohen Alters schrecken sie auch vor strapaziösen Tourneen durch europäische Konzertsäle nicht zurück.

Nur zu einem "Volume 2" ihres Welterfolgs von 1997 hat es bislang nicht gereicht. Die Lücke will jetzt ein Sampler füllen, der einige der alten und teilweise altbekannten Stücke wie "Candela" und "Chan chan" in ihren usprünglichen Fassungen enthält. Lediglich die Tonqualität der Originalaufnahmen wurde verbessert. Die alten Einspielungen offenbaren bereits den ganzen Charme der Kubaner, auch wenn sie in Ausdruck und Form nicht an die 97er Produktion heranreichen können.


So dient der Sampler "Hecho en Cuba" vor allem dem Vergleich und der Möglichkeit, die Entwicklung ihrer Musik im Verlauf der Jahre besser nachvollziehen zu können, ohne dabei etwas wirklich Neues vorzustellen. Aber das wäre vielleicht auch der Erwartung zu viel. Die Pause sei dem Buena Vista Social Club gegönnt - und wer wollte ihnen das Recht, sich auf den verdienten Lorbeeren auszuruhen, wirklich ernsthaft bestreiten. Ihr Platz in der Musikgeschichte bleibt ihnen dennoch sicher, und ihr Erfolg ist längst ein Mythos der globalisierten Popkultur. Und ein schöner dazu.

© Michael Frost, 18.01.2002



Aktuelle Compilation des Buena Vista Social Club: "Hecho en Cuba", erschienen bei
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Duets
Omara Portuondo



Eliades Ochoa:
Estoy como nunca
Grupo Tano: Estero
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