Er
war acht Jahre alt, als er sich gegen ein eigenes Fahrrad entschied,
um statt dessen einen Musiklehrer zu bezahlen. Die Familie von Waldemar
Bastos hatte nicht genug Geld, um ihrem Sohn beide Wünsche zu erfüllen.
Die gern verbreitete Geschichte spricht Bände von der Bessenheit
Bastos' für die Musik. Seit seiner frühen Kindheit habe er
nicht an seiner Berufung gezweifelt, und allen Widrigkeiten zum Trotze
setzte Waldemar Bastos seinen Traum um.
Doch
der Preis für seine Karriere war weitaus größer als
der Verzicht auf das eigene Fahrrad. Letztlich verlor er seine Heimat.
Als Waldemar Bastos 1954 geboren wurde, war Angola portugiesische
Kolonie. Seine Selbständigkeit erlangte das Land im Südwesten
Afrikas 1974 nach der Nelkenrevolution in Portugal, stürzte jedoch
nahtlos in einen der brutalsten Bürgerkriege des 20. Jahrhunderts.
Als Waldemar Bastos 1982 als Teil einer Delegation zu einem Festival
nach Lissabon reiste, setzte er sich ab und blieb in Europa. Von Lissabon
zog es ihn nach wenigen Monaten zu Freunden nach Berlin, später
nach Brasilien, und schließlich wieder nach Portugal.
Dort
wurde David Byrne auf ihn aufmerksam, auf dessen Label Luaka Bop sein
Album "Preta luz" erschien. Bastos hatte schon vorher eigene
Platten veröffentlicht, doch durch die Unterstützung der
Promotion durch von David Byrnes Firma wurde er zum international
berühmtesten Musiker Angolas. So überrascht es wenig, dass
sich 200.000 Menschen einfanden, als Bastos 1990 in Luanda, Angolas
Hauptstadt, das erste Konzert nach seiner Rückkehr in die Heimat
gab.
Und
als die Beendigung des 42-jährigen Bürgerkriegs in Angola
später mit einem Festakt besiegelt werden sollte, war es Waldemar
Bastos, der als Ehrengast im Stadion von Luanda auftreten durfte.
So kam es schließlich zu einer Art Versöhnung. Seither
kann Bastos unbehelligt in Angola leben, doch seine Interessen reichen
weit über die Heimat hinaus. "Renascene", sein neues
Album, dokumentiert diese Weltläufigkeit. In dem Wort steckt
der Begriff "Wiedergeburt", besser: "Erneuerung",
und Bastos hat einiges unternommen, um seinen Ansprüchen gerecht
zu werden.
Aufgenommen
wurden die Albumtitel in Spanien mit Musikern aus Angola, Kongo, Mosambique
und Guinea, in Berlin mit Musikern aus Portugal und Martinique. Streichersequenzen
entstanden in Istanbul, und zusammengefügt wurden die einzelnen
Teil in London. Dieses außergewöhnliche Patchwork-Projekt,
von der Plattenfirma sicher etwas zu großspurig als "Afropäisches
Gitarrenalbum für das 21. Jahrhundert" bezeichnet, hat etwas
Pulsierendes, Drängendes.
Bastos
selbst verfügt über eine weiche, harmonische Stimme, mit
der er den ruhenden Pol des Albums bildet. Alles Übrige ist in
Bewegung: die Gitarren, die flirrenden Bläsersätze, der
Chor, die orientalischen Geiger, nicht zuletzt die Percussions. David
Byrne, so klingt es, hat auch musikalischen Einfluss hinterlassen.
Waldemar Bastos ähnelt ihm in Hinblick auf die Verknüpfung
von angloamerikanischem Pop, Jazz und Soul mit lateinamerikanischen,
afrikanischen - und hier sogar arabischen Harmonien.
So
fügt sich schließlich doch noch alles zum Guten. Waldemar
Bastos hat es immer verstanden, das jeweils Beste aus schwierigen
Situationen zu machen. So nutzt er heute seine internationalen Kontakte
und Erfahrungen auch zur Erweiterung und Reife seines musikalischen
Spektrums. Gar nicht auszudenken, was einem heute entgehen würde,
wenn er sich damals doch für das Fahrrad entschieden hätte.
(Waldemar
Bastos: "Renascene",
World Connection/EDEL Contraire, WC 43051)
©
Michael Frost, 23.01.2005