Über 
          mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Annett Louisan wohl nicht beklagen. 
          Musikhörer und -kritiker sind voll des Lobes über ihr Debüt-Album 
          "Bohème", mit dem sie es nicht nur in die Charts, sondern 
          sogar in die Kulturmagazine und Feuilletons schaffte. Und dabei, so 
          heißt es bereits im Eröffnungssong ihres Albums, wolle sie 
          "doch nur spielen".  
          Annett 
            Louisan ist tatsächlich eine Überraschung auf den zweiten 
            Blick. Ihre äußere Erscheinung, ihre betont mädchenhafte 
            Stimme, das Image, das für ihre Platte gestrickt wurde, verleiten 
            zur Unterschätzung. Das sei sie gewohnt, sagte sie kürzlich 
            in einem Interview mit der ARD und setzte dabei ihr bezauberndstes 
            Lächeln auf. 
          Doch 
            was auf den ersten Blick nach naivem Jungmädchen-Charme aussieht 
            und zunächst auch so klingt, hat es in Wirklichkeit faustdick 
            hinter den Ohren und entpuppt sich schließlich als frech, witzig, 
            manchmal ironisch - und immer sehr eigenständig und zielbewusst.
          Annett 
            Louisan füllt mit ihren betont einfachen, akustisch instrumentierten 
            Chansons eine Sparte, die es in der deutschsprachigen Musik vor ihr 
            in dieser Form noch gar nicht gab. 
            Nicht Pop oder Deutschrock ist ihr Metier, ebenso wenig wie banale 
            Schlager oder die Schwermut der Liedermacher. Vielmehr orientiert 
            sich ihre leise, verspielte Musik an aktuellen jungen französischen 
            Interpretinnen wie Coralie Clément, Carla Bruni oder Keren 
            Ann. 
          Mit 
            ihrer frischen, offenen Art findet sie einen eigenen Zugang zum Chanson, 
            der textlich zwischen Koketterie und Ironie variiert. Annett Louisan 
            begreift Liebe und Erotik als selbstverständliche Zugaben, doch 
            ebenso gekonnt umgeht sie Kitsch und banale postpubertäre Herz-Schmerz-Lyrik. 
            Ihre Souveränität im Umgang mit diesen unterschiedlichen 
            emotionalen Färbungen offenbart dabei eine völlig ungewohnte 
            Leichtigkeit. 
          Vieles 
            spricht dafür, dass es sich bei diesem Debüt nicht um einen 
            Zufallstreffer handelt. Annett Louisan weiß, wohin sie will, 
            und ihr Ziel verfolgt sie mit spürbarem Ehrgeiz. In Wirklichkeit 
            will sie nämlich alles andere als "bloß spielen". 
            
          © 
            Michael Frost, 30.11.2004