Die 
            Jazzszene der britischen Hafenstadt Bristol kann wohl getrost als 
            die Keimzelle des Triphop bezeichnet werden. Dieser Musikstil entstand 
            dort zu Beginn der 90er Jahre, indem er den aus den USA kommenden 
            Hiphop, die Drums&Bass-Beats europäischer Clubs, Synthiepop, 
            einen Schuss Soul und schließlich den heimischen Jazz zu einer 
            atmosphärisch dichten Mixtur zusammen führte, angereichert 
            um LoFi-Elemente - also bewusst integrierte Geräusche analoger 
            Tonquellen. Triphop, das ist eine düstere, langsame und verstörende 
            Musik mit dumpfen Beats, seltsamen Störgeräuschen und Scratches, 
            aber auch bittersüßem Gesang, elegischem Streichorchester 
            und Bläsersätzen. 
          Vor 
            allem zwei Bands werden mit dem Triphop verbunden: Portishead und 
            Massive Attack. Beide Bands stammen aus Bristol, begannen ungefähr 
            zur selben Zeit, beeinflussten sich womöglich gegenseitig, fanden 
            jedoch schnell ihren eigenen, individuellen Stil. Beide Bands wurde 
            oft kopiert, aber nie erreicht. Erstaunlich: Portishead reichten ganze 
            zwei Studioalben, um zu einer der einflussreichsten britischen Bands 
            überhaupt zu werden. Und auch Massive Attack brachten es auch 
            nur auf vier Alben (und einen Filmsoundtrack) - in immerhin 15 Jahren 
            seit ihrem Debüt. 
          Dennoch 
            gehört auch dieses Soundtüftler-Trio, bestehend aus Andrew 
            Vowles, Robert del Naja und Grant Marshall, zu den wichtigsten Bands 
            seit Beginn elektronischer Musik. Ihren Stellenwert erkennt man heute, 
            nicht nur beim Hören ihrer ersten "Greatest Hits"-Zusammenstellung 
            "Collected", sondern praktisch jeden Tag in der Werbung, 
            auf Modeschauen, Vernissagen und in Fernsehdokumentationen: kaum jemand, 
            der zur Unterstreichung der Modernität seines Produktes auf den 
            Sound aus Bristol verzichten möchte, sei es im Original oder 
            mit Hilfe des Imitats irgendeiner anderen Band. Triphop à la 
            Massive Attack klingt nach Zukunftsmusik, vermittelt gehobenen und 
            avantgardistischen Anspruch - der Sound ist seiner Zeit um Längen 
            voraus. Und das auch jetzt noch, obwohl die wirklich großen 
            Aufnahmen der Band bereits zehn Jahre alt sind - Jahre, in denen sie 
            mit einigen der innovativsten Künstlern und Produzenten überhaupt 
            zusammen arbeiteten (u.a. Tricky, String-Arrangeur Craig Armstrong, 
            die Björk-Produzenten Nellee Hooper und Mark 'Spike' Stent u.v.a.).
          Der 
            stilbildende Charakter von Massive Attack kann nun auf dem inzwischen 
            veröffentlichten "Best-of"-Album "Collected" 
            nachvollzogen werden. Dafür wählte die Band dreizehn Titel 
            aus ihren Alben "Blue lines", "Protection", "Mezzanine" 
            und "100th window" aus, ergänzt um einen neuen Song: 
            "Live with me". Mit "Collected" öffnet sich 
            ein ganz eigenes Universum, und je tiefer man eindringt, umso düsterer 
            und gewaltiger werden die Sounds. Charismatische Gastsänger und 
            -sängerinnen wie Tracey Thorn, Terry Callier, Shara Nelson, Sinéad 
            O'Connor und Elizabeth Fraser geben Titeln wie "Teardrop", 
            "Save from harm", "Protection" und "What 
            your soul sings" den letzten Schliff und unterstreichen die hypnotische, 
            tranceartige Atmosphäre der Compilation. 
          Wer 
            noch tiefer in diese reiche Welt einsteigen will, dem sei die "Special 
            Edition" von "Collected" empfohlen. Die enthält 
            nämlich neben den vierzehn Songs sämtliche Videoclips, seltene 
            und überarbeitete Titel auf einer Dual Disc (CD/DVD). Neues Material 
            in Form eines fünften Studioalbums ist dann für 2007 vorgesehen. 
            Aber auch das ist noch Zukunftsmusik. 
            
          © 
            Michael Frost, 31. März 2006