Üblicherweise
kennt man den Film vor dem Soundtrack. Stammt der Soundtrack jedoch
aus besonders berufener Hand, dann kann es passieren, dass er Monate
vor dem Kinostart veröffentlicht wird. Dann allerdings muss die
Filmmusik beweisen, dass sie auch ohne den Film "funktioniert",
also ein eigenständiges Werk ist.
Für
Massive Attack sollte diese Herausforderung kein Problem sein. Die
Briten haben eigentlich schon immer Alben eingespielt, die wie für
das Kino geschaffen schienen. Ihre druckvollen, mit harten Beats unterlegten
Sounds aus Computersamples wurden stilbildend für den Bristol-Sound
(benannt nach ihrer Heimatstadt).
Dennoch
dürfte die Erfahrung, direkt für bereits vorhandene Bilder
zu komponieren, auch für sie neu gewesen sein. Insgesamt einundzwanzig
zum Teil recht kurze Stücke entstanden während der elfwöchigen
Studioarbeit. Der Grundton ist unverkennbar "Massive Attack":
dunkle, aufwühlende Beats hinter druckvoller, aber schneidend
kalten Rhythmen, die von latenter Gefahr künden. So könnte
"Danny the dog" vielleicht ein Suspense-Thriller sein, oder
ein Film noir, gäbe es nicht immer wieder kleine Intermezzi,
in denen sich zarte, fragile Pianoklänge in den Vordergrund spielen,
Chor und Geigen sich zu dramatischen Höhen erheben und dem Ganzen
eine tiefe, epische Note geben.
Tatsächlich,
so ist zu erfahren, ist "Danny the dog" ein Thriller. Er
erzählt die Geschichte von Danny, der ohne menschliche Beziehung
aufwuchs, deshalb das geistige Niveau eines Kindes nie überschreiten
konnte und lediglich zu kämpfen lernte. Sein Können muss
er regelmäßig in illegalen Fight Clubs zeigen - bis er
eines Tages einen alten Klavierstimmer trifft, der ihm durch Musik
zeigt, was Menschlichkeit ist.
So
hat "Danny the dog" zwei Gesichter: das der brutalen Kämpfe,
und die Welt der Musik, vertreten durch den alten Klavierstimmer.
Diese Welt gewinnt im Verlauf des Soundtracks die Oberhand. Federleicht
geben sich die Stücke, manchmal - überraschend traditionell
- als Orchesterwerk, dann wieder zärtlich und bestechend in ihrer
reduzierten Schlichtheit.
Man
wird dieses Album mit anderen Maßstäben messen müssen
als die früheren Aufnahmen von Massive Attack. Vollends wird
man es erst im Zusammenhang mit den Bildern von Produzent Luc Besson
und Regisseur Louis Leterrier erfassen. Doch die Zeit bis zum Kinostart
in Deutschland (Januar 2005) kann man nutzen, um vor dem Hintergrund
der berückenden Musik seinen eigenen Film entstehen zu lassen
- und das wiederum ist nun gar nicht anders als bei den vorigen Alben
von Massive Attack.
©
Michael Frost, 08. Februar 2003