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Vollendete Harmonie


Zugegeben: Um Fado zu lieben, muss man wohl wenigstens gefühlter Portugiese sein. Das heißt: Man sollte noch Träume haben, Sehnsüchte, das Meer lieben, den Blick über den Horizont, man sollte Verlust empfinden können und zulassen, dass Musik in die eigene Seele vordringt. Gegen die Hektik der Welt sollte man sich möglichst verschließen, denn man benötigt vor allem Muße (und Wein), um die vollendete harmonische Ästhetik des Fado schätzen zu lernen.

Das sind nicht eben wenige Voraussetzungen, weshalb der Fado einerseits immer typisch portugiesisch geblieben ist, andererseits aber während der vergangenen Jahre eine überraschende internationale Renaissance erlebte, die er vor allem Stimme und Aura von Sängerinnen wie Dulce Pontes, Mariza, Mísia und Susanna Branca verdankt, oder Teresa Salgueiro, deren Gruppe Madredeus zwar keinen klassischen Fado singt, mit ihrem internationalen Erfolg jedoch die Türen auch für die Kolleginnen öffnete. Fado, so eine mögliche Begründung für den Erfolg, ist eine Gegenbewegung zur allgegenwärtigen Fast-Food-Musik.

Es ist zwar keineswegs "Fado light", den Mário Pacheco auf seinem Album "Clube de Fado / A Música e a guitarra" bietet, aber dennoch bietet die Veröffentlichung auch dem neugierigen "Einsteiger" die Möglichkeit, den Fado für sich zu entdecken. Denn Pacheco stellt zunächst das wichtigste Instrument in den Vordergrund: die guitarra portuguesa mit ihrem typisch metallischen Klang, der eher einer Zither ähnelt als einer gewöhnlichen Gitarre (tatsächlich hieß die portugiesiche Gitarre ursprünglich cítara). Pacheco selbst ist Meister dieses Instruments, schon sein Vater Antonio war einer der berühmtesten Fado-Gitarristen Portugals, darüber hinaus ist Mário Pacheco einer der bedeutendsten Fadokomponisten der Gegenwart. Von ihm stammen alle Lieder des Albums.

Das Ensemble seines "Clube de Fado" ist, der Tradition entsprechend, stark reduziert. Mit Marta Pereira da Costa gehört eine weitere Meisterin der guitarra portuguesa dazu, außerdem der klassische Gitarrist Carlos Manuel Proença und Bassist Rodrigo Serrão. Ein Streicherquartett komplettiert das Set, das tatsächlich über weite Strecken instrumental bleibt. So kann man sich vollends auf die Virtuosität der portugiesischen Gitarre konzentrieren und sich in den leise wogenden Melodien verlieren.

Dass die Aufnahme zudem ein optischer Genuss ist, illustriert die beiliegende DVD, die den kompletten Mitschnitt des Konzerts enthält, das Pachecos Gruppe im Juni 2005 im Hof des Palácio Nacional von Queluz gab.

So berückend schön und berührend das instrumentale Spiel auch sein mag, zu den besonderen Momenten des Abends gehören die Auftritte von vier Gastsängern. Mit Rodrigo Costa Felix und Camané sind auch zwei Männer darunter, besonders bemerkenswert deshalb, weil Fado ursprünglich nur von Männern gesungen wurde.

Inzwischen, spätestens seit der in Portugal als Legende veehrten Amália Rodrigues (1920-1999), gilt er jedoch als Domäne von Sängerinnen. In ihrer Tradition stehen auch Ana Sofia Varela (ihr "Vivendo sem mim" wurde sogar von Amália Rodrigues getextet) und Mariza, deren Auftritt auch im "Club de Fado" zum glanzvollen Höhepunkt gerät.

Dass Mariza inzwischen zu Recht als legitime Nachfolgerin von Amália Rodrigues betrachtet wird, unterstreicht sie hier nachdrücklich. "Há uma música do povo" und "Cavaleiro monge", beide von Mário Pacheco komponiert - die Texte stammen von Fernando Pessoa, Portugals berühmtestem Schriftsteller - gehören zu den schönsten Fados überhaupt, wie auch Marizas voller, karminroter Gesang tief unter die Haut geht und alle Voraussetzungen des Fado in sich zu vereinigen scheint.

Bessere Bedingungen, das Wesen des Fado zu spüren und zu begreifen, kann es wohl nicht geben.

© Michael Frost, 16.09.2007

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Mariza, Mísia, Amélia Muge, Teresa Salgueiro, Madredeus, Amália Rodrigues

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