Soviel 
          vorweg: aus dieser DVD-Veröffentlichung spricht das schlechte Gewissen, 
          aber auch die Absicht der Schadensbegrenzung. Denn als Bob Geldof begann, 
          die Auftrittslisten der "Live8"-Konzerte in acht Städten 
          zusammenzustellen, da rieb sich mancher erstaunt die Augen: Was als 
          Kampagne für den Schuldenerlass der ärmsten afrikanischen 
          Länder gedacht war, sollte komplett ohne afrikanische Künstler 
          über die Bühnen von London, Berlin, Philadelphia, Paris, Rom, 
          Tokyo, Barrie und Moskau gehen.  
          "Live 
            8", sagte Bob Geldof damals, sei kein kulturelles Projekt, sondern 
            eines, das auf ein Maximum an internationaler Aufmerksamkeit für 
            die Forderung nach Schuldenerlass zielte. Dafür benötige 
            man die erste Garde der Popwelt. Dennoch wurde, wohl um der Kritik 
            die Spitzen zu nehmen, Weltmusik-Pionier Peter Gabriel mit der Konzeption 
            eines Alternativprojekts betraut: "Africa Calling", ein 
            Konzert mit mehreren Dutzend Musikern aus verschiedenen afrikanischen 
            Ländern, das auf dem Gelände des "Eden Project" 
            in Cornwall stattfinden sollte. 
          Dieses 
            Konzert, das während der weltweiten Übertragungen der Live8-Konzerte 
            kaum einmal ins Bild geriet, ist nun auf zwei DVDs erschienen, und 
            in seiner Art und Aufmachung erscheint es fast als Wiedergutmachung, 
            aber auch als Dokument der Vielfalt und des Reichtums afrikanischer 
            Musik. Sie reicht vom Percussion-basierten Vocal-Sound von Maryam 
            Mursal aus Somalia oder die rituellen Tänze von Siyaya (Zimbabwe) 
            über die einfühlsamen Balladen von Geoffrey Oryema (Uganda) 
            bis zu den internationelen Stars der afrikanischen Szene: Angelique 
            Kidjo und Youssou N'Dour. 
          Trotz 
            des gelungenen Programms und der Freude der Musiker bleibt die Kritik 
            am Vorgehen der "Live8"-Organisatoren bestehen. Kaum ein 
            paar hundert Besucher verirrten sich auf das Eden-Gelände im 
            abgelegenen Cornwall, um die "Africa Calling"-Konzerte mitzuerleben. 
            Das Gelände des Eden-Biotops erscheint somit fast als Luxus-Reservat 
            für exotische Musik, während sich der versammelte Mainstream 
            von Elton John bis U2 vor Hunderttausenden feiern lassen durfte. Dabei 
            zeigt die "Africa Calling"-DVD selbst auf, wie man es hätte 
            besser machen können: etwa in einer Partnerschaft zwischen afrikanischen 
            Musikern und den Stars der Popwelt. Youssou N'Dour wurde von Popsängerin 
            Dido begleitet, Geoffrey Oryema und Angelique Kidjo sangen mit Peter 
            Gabriel.
          Weshalb 
            nicht die gesamte "Live8"-Kampagne auf solchen, auch künstlerisch 
            interessanten Partnerschaften aufgebaut wurde, bleibt ein Rätsel. 
            Die Chance, die politische Idee der Solidarität zwischen reichen 
            und armen Ländern durch Gleichberechtigung auf kultureller Ebene 
            zu dokumentieren, wurde wohl auf lange Sicht verspielt.
          Der 
            Qualität der "Africa Calling"-Auftritte tut das natürlich 
            keinen Abbruch, im Gegenteil: erst durch den Beweis der Kreativität 
            der beteiligten Musiker - ob die Stimmgewalt einer Coco Mbassi oder 
            der energiegeladene Hiphop von Daara J - wird die Kritik an der Ghettoisierung 
            dieser hervorragenden Acts nachvollziehbar. 
            
          © 
            Michael Frost, 09.10.2005
          Mitwirkende:
            Thomas 
            Mapfumo & The Blacks Unlimited, Maryam Mursal, Mariza, Chartwell 
            Dutiro, Modou Diof & O Fogum, Shikisha, Geoffrey Oryema, Siyaya, 
            Youssou N'Dour et le Super Etoile, Dido, Coco Mbassi, Angelique Kidjo, 
            Ayub Ogada and Uno, Tinariwen, Frititi, Kanda Bongo Man, Akim el Sikameya, 
            Emmanuel Jal, Daara J