"Je
genauer ich mich mit dieser Periode beschäftigte, umso mehr mehr
Meisterwerke entdeckte ich", beschreibt Patrick Bruel rückblickend
seine inspirierende Auseinandersetzung mit dem französischen
Chanson aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. 23
Klassiker, die meisten aus den 30er Jahren, förderte er für
seine Doppel-CD "Entre-deux" zu Tage; die Hälfte davon
interpretiert er im Duett mit so illustren Partnern wie Charles Aznavour,
Laurent Voulzy, Johnny Hallyday, Francis Cabrel und Alain Souchon
oder den Schauspielerinnen Emmanuelle Béart und Danielle Darieux
("8 Frauen"). Letztere ist Bruels Duett-Partnerin bei einem
Titel, den sie vor vielen Jahren selbst berühmt gemacht hatt:
"A Paris, dans chaque faubourg".
Während
seiner letzten Tournee durch Frankreich hatte Bruel die Reaktion des
Publikums getestet, indem er ein Medley mit einigen der Stücke
in sein Programm einbaute. Die positive Resonanz habe ihn bestärkt,
sich intensiver mit den zum Teil lange nicht gehörten Stücken
zu beschäftigen, erzählt Bruel.
Dem
traditionsreichen Stoff näherte er sich mit dem gebotenen Respekt
und unter Wahrung des ursprünglichen Charakters der Stücke.
Eine gewaltsame "Modernisierung" des Materials ist seine
Sache erfreulicherweise nicht, sondern lediglich eine behutsame und
einfühlsame Restaurierung, an der offenbar auch Duettpartner
und Instrumentalisten Gefallen fanden. So erstrahlen unter anderem
Maurice Chevaliers "Paris, je t'aime d'amour"), das schmissige
"Comme de bien entendu" (im Duett mit Renaud) oder der Cole
Porter-Klassiker "Night & Day" (in der französischen
Fassung im Duett mit Kahimi Kari) in alt-neuem Glanz.
Aus
dem 19. Jahrhundert, nämlich bereits von 1867 ist "Le temps
des cerises", ein Chanson, das als Symbol für den Aufstand
der Pariser Commune steht. Bruel singt es hier im Duett mit Jean-Jacques
Goldman. Paris ist, wenn auch in anderer Hinsicht, in vielen der ausgewählten
Titel ein beherrschendes Thema. Immer wieder wird die Seine-Metropole
gesungen, und immer wieder spiegelt sich die Schönheit der Stadt
in den Chansons. Umgekehrt verdankt Paris seinen Ruf zu einem nicht
unerheblichen Teil auch seinen Musikanten und ihren romantischen und
melodiösen Liedern.
Das
Beiheft zur CD wurde liebevoll mit Schwarz-Weiß-Fotos gestaltet,
die aus dem Paris zwischen den Weltkriegen stammen. Dort sieht man
Straßenmusikanten an den Métro-Eingängen und auf
improvisierten Bühnen am Straßenrand, verschiedentlich
tanzen Leute zu ihren Javas und Walzern, und der Paris-Kundige von
heute erkennt, dass mit den von Patrick Bruel so stimmungsvoll eingefangenen
musikalischen Momentaufnahmen eine Tradition begründet wurde,
deren moderne Vertreter noch heute an unerwarteten Orten der Stadt
bewundert werden können.
Michael
Frost, 27. Juli 2002