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Gegensätze
ziehen sich an


Die Zeiten, als elektronische Musik sich dem Dogma unterwarf, ausschließlich synthetisch erzeugte Klänge zu verweden, sind längst passé. Die Wirkung, die das Aufeinandertreffen digitaler und analoger Elemente hat, ist einfach zu verlockend, und so sind die interessantesten Electronica-Acts solche, die durch das Zusammenwirken dieser Antipoden Reibung verursachen.

Zu dieser Avantgarde gehört zweifellos auch der umtriebige Matthew Herbert, ein Besessener seiner Zunft mit einem beeindruckenden Output. "Scale" ist ein Album, das er unter eigenem Namen einspielte (nach "Plat du jour" im vergangenen Jahr), doch daneben findet Herbert immer wieder Zeit und Raum für die Produktionen anderer, zuletzt für das Solo-Debüt der Moloko-Sängerin Roisin Murphy ("Ruby blue").

"Scale" ist nun der Versuch, alte und neue Musik zueinander zu bringen, sondern auch stilistisch eine wagemutige Symbiose, die sowohl Earth, Wind & Fire und Prince als auch Kraftwerk, Björk und Matmos zitert. Glampop, Bigband, Philadelphia-Sound, Blues, Latin, Funk und Soul - auf "Scale" wächst zusammen, was - bislang - nicht zusammen gehörte, doch Matthew Herbert geht derart souverän mit seinen Zutaten um, dass sich Zweifel an ihrer symbiotischen Wirkung gar nicht erst ergeben: Gegensätze ziehen sich an.

Das frappierende Ergebnis: "Scale" ist ein Popalbum geworden, obwohl eigentlich nichts daran Popmusik ist. Holz- und Blechbläser, eine String-Section, Percussions und Computer geben den Ton an, den Gesang besorgt eine luzide Frauen-Stimme (Dani Siciliano), zeitweise ergänzt durch Dave Okumu und Neil Thomas.

"Im Endeffekt ging es mir darum", sagt Herbert, "Genuss an den Melodien und Harmonien zu finden." Ein Genuss sind die facettenreichen Songs tatsächlich. Und trotz der zahllosen Ideen, die Matthew Herbert auf "Scale" umsetzen konnte, wirkt das Album keineswegs überproduziert oder überladen. Doch ganz so fröhlich, wie er selbst gerne wollte, klingt "Scale" dann doch nicht. "Das geht einfach nicht, wenn Dick Cheney an der Macht ist."

© Michael Frost, 01.07.2006

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