Insbesondere 
            für den liberalen und fortschrittlichen Teil der New Yorker Bevölkerung 
            muss der 11. September 2001 ein Schock gewesen sein, der an den Fundamenten 
            ihres aufgeklärten Weltverständnisses rührte. "Wir 
            verloren 3000 Mitbürger, wir verloren die Hoffnung und das Herz 
            - und für eine Weile verloren wir auch die Musik", so schreiben 
            es The Klezmatics, eine der erstaunlichsten Bands im multikulturellen 
            Schmelztiegel New York, im Beiheft zu ihrer neuen CD "Rise Up!".
          Wie 
            der Name des Quintetts bereits vermuten lässt, handelt es sich 
            bei The Klezmatics um eine Gruppe, die sich der Tradition des Klezmer, 
            der traditionellen jiddischen Musik, verschrieben haben. Klezmer ist 
            Teil der jüdischen Kultur und spiegelt in besonderer Weise das 
            Schicksal der europäischen Juden wider, indem die Melodien zwischen 
            Euphorie und verzweifelter Melancholie wechseln. 
          Gesungen 
            wird - neben Englisch - traditionell in Jiddisch, einer Sprache, die 
            auf der Basis spätmittelalterlicher deutscher Dialekte und hebräisch-aramäischen, 
            romanischen und slawischen Einflüssen entstand. Jiddisch wird 
            noch heute weltweit von ca. 5 Mio. Juden vor allem in Osteuropa, aber 
            auch in den USA als Mutter- oder Zweitsprache gesprochen.
          Der 
            Klezmer, wie er von den Klezmatics vertreten wird, ist alles andere 
            als orthodox. Dass ihre Musik über eine lange und reiche Geschichte 
            verfügt, bedeutet für die Gruppe keineswegs, in ehrfürchtiger 
            Musealisierung zu verharren. Lorin Sklamberg, Frank London, Matt Darriau, 
            Lisa Gutkin und Paul Morrissett und David Licht, allesamt virtuose 
            Multiinstrumentalisten versammeln in ihrer Musik sowohl die elegischen 
            Klaviersonaten eines Yann Tiersen als auch die scheppernden Blaskapallen 
            der Roma vom Balkan, die wilden Polkas der 17 Hippies, Gospel, Folk 
            und Pop - selbst orientalisch anmutender Chorgesang findet hier seinen 
            Platz. 
          Letztlich 
            konnte auch der Terror des 11. September das Weltbild der Klezmatics 
            nicht zerstören. In der Besinnung auf die eigenen Stärken 
            fanden sie zur Musik zurück und schrieben den Fundamentalisten 
            aller Religionen deutliche Worte ins Stammbuch: 
           
            "I 
              ain't afraid of your Yahweh, I ain't afraid of your Allah, I ain't 
              afraid of your Jesus - 
              I'm afraid of what you do in the name of your God"  
          
          - 
            eine treffsichere Provokation mit dem Arrangements eines Gospels, 
            aber vor allem eine Hymne gegen den Fanatismus und Aufruf zur Überwindung 
            kultureller und religiöser Barrieren.
          "Rise 
            up!" ist ein faszinierendes Dokument interkultureller Verständigung, 
            dessen weitsichtige Sprache ebenso beeindruckt wie der Reichtum der 
            musikalischen Stile und der Einflüsse, die ihnen zugrunde liegen. 
            
          Für 
            die Klezmatics ist dies schließlich die einzig vernünftige 
            Konsequenz aus Gewalt und Terror: "Free up from the Gods of 
            War and Glory !" 
          © 
            Michael Frost, 22. Mai 2003