Sie
ist nicht die erste Sängerin, die auf der Akustikwelle mitschwimmen
möchte, aber eine Ausnahmeerscheinung. Lou Rhodes, als Sängerin
der britischen Band Lamb berühmt und verehrt, hat dem Sound ihrer
Band den Rücken gekehrt: Lamb ist Geschichte.
Nun
ist Lou Rhodes als Solokünstlerin unterwegs. Dafür verließ
sie das heimatliche London und zog mit ihren beiden Kindern im Wohnmobil
durch England. In einem kleinen Ort in der Nähe von Surrey wurde
sie fündig. "Wir leben jetzt auf dem Land", verkündet
sie, "mit einem Gemüsegarten und Hühnern".
Entsprechend
wurde die Elektronik, einst beherrschendes Element von Lamb, aus der
Musik verbannt. "Beloved one" ist dem ersten Eindruck nach
wie ein Hand gestrickter Pullover, eine überraschende Rückkehr
zur Ökoromantik der 80er Jahre, aber ohne deren programmatischen
Rigorismus und mit beiden Beinen fest auf der Erde.
Akustikpop
steht oft vor dem Problem, allzu rührselig oder verklärend
zu wirken, doch Lou Rhodes ist - wohl dank ihrer Erfahrung mit Lamb
- alles andere als die Naiv-Schüchterne mit Klampfe. "Beloved
one" ist ein stimmungsvolles, wunderbar arrangiertes Album mit
rhythmischen Balladen, die von ihr mit betont zurückgenommener,
manchmal gar kühler und sonorer Stimme interpretiert werden.
Lou Rhodes produzierte das Album gemeinsam mit dem Percussionist Emre
Ramanzanoglu, und auch Kollegen aus Lamb-Zeiten sind noch dabei, allen
voran Gitarrist Oddur Mar Runarsson Jon Thorne (Bass).
Was
widersprüchlich klingt, macht tatsächlich den Reiz des Albums
aus: Lou Rhodes wirkt gerade durch ihre zurückgenommene Art -
die nicht mit Schüchternheit verwechselt werden sollte - präsent
und intensiv.
So
scheint ihr alles, was sie anfasst, tatsächlich zu gelingen.
"Beloved one" vereint die besten Merkmale, die ein akustisches
Folk-Pop-Album haben sollte: im positiven Sinne unspektakulär,
ohne Effekthascherei, sondern von einer natürlichen Schönheit,
die in der Musikwelt immer häufiger verloren geht. Kurz gesagt:
Wäre "Beloved one" ein Ei aus ihrem Hühnerstall,
es bekäme die Güteklasse A - mit Biosiegel.
©
Michael Frost, 27.05.2006