Es 
          war einmal eine Zeit, da bestand die Popmusik aus glamourösen Sounds, 
          schmelzenden Stimmen und einschmeichelnden Harmonien. Da wurde der Romantik 
          ebenso gefrönt wie der großen Geste, da waren die Sänger 
          noch Dandys, da schmolzen Frauenherzen dahin - da war Pop noch Musik. 
           
          Aus 
            dieser Zeit stammt Roxy Music. Eine Band, wie sie "uncooler" 
            wohl nicht sein könnte, denn Roxy Music hatte den Hang zum großen 
            Gefühl, der theatralischen Pose, Pathos und Schmelz vereinigten 
            sich in der Stimme von Brian Ferry, einem der beliebtesten Sänger 
            der Popwelt überhaupt. Gleichzeitig galt Ferry aber auch allen 
            Rockfans als Hassobjekt Nummer 1. "Mädchenmusik" sei 
            das, und tatsächlich dürfte die Fangemeinde von Roxy Music 
            wohl überwiegend weiblichen Geschlechts gewesen sein. 
          Doch 
            die meisten Spötter von damals sind längst in Vergessenheit 
            geraten. Roxy Music dagegen existiert noch immer, wenn auch nicht 
            mehr in der genialen Besetzung, mit der die Londoner Band 1970 ihr 
            erstes Album veröffentlichte. Vor allem Brian Eno, inzwischen 
            als genialer Produzent von U2 eine der wichtigsten Figuren der Branche, 
            wird schmerzlich vermisst. Er könnte Roxy Music wahrscheinlich 
            ein gegenwartstaugliches Klangkonzept verpassen, doch ohne ihn verharren 
            Ferry & Co. in der Vergangenheit. 
          Bei 
            insgesamt 50 Konzerten in ganz Europa und Nordamerika präsentierte 
            die Band 2001 - erstmals seit 18 Jahren - ihre größten 
            Erfolge von "More than this" über "Avalon" 
            und "Dance away" bis "Jealous Guy", allesamt Titel, 
            an denen niemand, der in den 70er und 80er Jahren seine Jugend erlebte, 
            vorbeigekommen sein dürfte. "Roxy Music live" verewigt 
            zweiundzwanzig Titel dieser Ära auf einer Doppel-CD, deren Erinnerungswert 
            zwangsläufig deutlich über dem aktuellen künstlerischen 
            Gehalt angesiedelt werden muss.
          Die 
            Rückkehr von Roxy Music auf die internationale Bühne fand 
            nicht unter Aspekten der Erneuerung und Modernisierung statt. Vielleicht 
            auch deshalb war Experimentalist Eno nicht zur Rückkehr bereit. 
            Alle Live-Versionen orientieren sich deutlich an den z.T. dreißig 
            Jahre alten Originalversionen, und gemeinsam bilden sie das Programm 
            einer Revue mit musealem Charakter.
          Alte 
            Fans werden in seligen Erinnerungen schwelgen, doch Unkundige werden 
            vermutlich gleichgültig die Achseln zucken. Roxy Music hatte 
            große Bedeutung für die Popper-Bands der "New Romantic"-Welle 
            (Human League, Duran Duran) in den 80ern und beeinflusste auch später 
            noch den mondänen Rock von Bands wie Pulp - doch heute sind sie 
            gemeinsam Geschichte. 
          Diese 
            Entwicklung ist bedauerlich, wissen wir doch, dass es immer weniger 
            adäquaten Ersatz für Bands wie Roxy Music gibt. Deshalb 
            ist "Roxy Music Live" vor allem eines: ein zeitgeschichtliches 
            Dokument nämlich. Es führt uns in eine Ära, als Bands 
            sich noch selbst zusammenrauften und ihren eigenen Sound entwickelten, 
            anstatt sich von Fernsehsendern casten zu lassen um schließlich 
            den seelenlosen Einweg-Pop anderer Leute zu recyceln.
          © 
            Michael Frost, 28. Juni 2003