CD-KRITIK.DE:
Thomas, Du organisierst die "Tour de France"-Tanzabende seit
einigen Jahren regelmäßig, inzwischen in mehreren Städten.
Im vergangenen Herbst hast Du die dritte Ausgabe Deiner "Le Tour"-Compilations
veröffentlicht. Wie erklärst Du Dir die Begeisterung des deutschen
- inzwischen auch des österreichischen Publikums - für Rock
und Pop aus Frankreich?
Thomas
Bohnet: Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Es gibt
allerdings seit den sechziger Jahren eine latentes Interesse an französischer
Musik hierzulande. Stars wie France Gall, Mireille Mathieu und Françoise
Hardy waren in den Sechzigern so populär hier, dass sie sogar einige
ihrer Songs auf deutsch eingespielt haben. Mit gelegentlich haarsträubendem
Ergebnis! Madame Hardy, die ich 1990 mal in Paris interviewen durfte,
hat da einige witzige Dinge über ihre deutschen Aufnahmen und Auftritte
im deutschen TV erzählt. Gut, auch Gilbert Becaud oder Charles
Aznavour hatten hierzulande viele Fans. Auch in den 70er, 80er und 90er
Jahren haben es immer wieder französische Acts geschafft, auch
hier Erfolge zu haben. Ob nun Les Rita Mitsouko oder Negresses Vertes,
Guesch Patti oder die späte France Gall, oder denk an Mano Negra
und Manu Chao. Auch eine (für meine Ohren eher unerträgliche)
Sängerin wie Patricia Kaas ist ja sehr beliebt. Latent ist da also
schon immer ein gewisses Interesse für französische Sounds
da. Wenngleich zum Beispiel die Italo-Pop-Fraktion (Gianna Nannini oder
Eros Ramazotti) größer ist. Auch die französischen Sixties
erfreuen sich alle paar Jahre in der hippen Szene wieder mal grosser
Beliebtheit. Dass seit 5, 6 Jahren ein noch größeres Interesse
an Pop und Rock aus Frankreich da ist, liegt an mehreren Faktoren. Zum
einen war der Erfolg des Filmes "Die wunderbare Welt der Amelie"
bzw. der Erfolg des Soundtracks die Initialzündung für viele
deutsche Plattenfirmen, endlich mal französische Platten hier zu
veröffentlichen.
Die Arbeit der Kollegen von Le Pop und auch meine bescheidenen lokalen
Aktivitäten, dann die Beharrlichkeit von frankophilen Journalisten
wie Gerd Heger beim Saarländischen Rundfunk haben sicherlich auch
mit dazu beigetragen, dass hier Medien mehr über französisches
berichten, Interesse geweckt wird. Und, nicht zu vergessen, das Bureau
Export in Berlin macht einen guten Job, französiches/frankophones
hierzulande zu propagieren.
Wodurch
kamst Du selbst zur französischen Musik?
Thomas
Bohnet: Franzoösische Musik interessiert
mich schon immer latent. Als Kind (ich bin Jahrgang 58), wir sprechen
hier also von den Jahren 65 bis 68 oder so,habe ich Mireille Mathieu,
France Gall, Françoise Hardy gehört. Die waren in den Sixties
auch sehr populär. Witzigerweise habe ich auch immer schon gerne
französische Filme gesehen. Ich bin zum Beispiel ein grosser Fan
von François Truffaut und "Jules und Jim" mit Jeanne
Moreau ist mein absoluter Lieblingsfilm!!
Ich konnte damals auch überhaupt kein Französisch. Wobei ich
auch schon damals wie heute immer zuerst auf die Musik höre und
dann erst auf den Text (das mache ich bei englischer und deutscher Musik
aber auch so). Also, wenn mich die Musik nicht anspricht, dann kann
mich auch der beste, klügste Text von diesem Lied nicht überzeugen.
Mitte
der 80er war für mich die damalige Alternative-Rock-Welle in Frankreich
sehr prägend. Dadurch, dass ich in Konstanz am Bodensee gelebt
habe, bin ich meist nach Zürich zu Konzerten gefahren und dort
haben all die französischen Punk- und Alternativ-Bands der Achtziger
gespielt: Berurier Noir, Los Carayos (mit dem damals noch unbekannten
Manu Chao), Les Garçons Bouchers, auch Les Rita Mitsouko, Noir
Desir.....ich habe die meisten Konzerte/Bands live gesehen, das war
so 86, 87, 88..
1988 lernte ich auch meine jetzige Frau kennen, die damals gerade in
Paris Fotografie studiert hat. Ich pendelte die nächsten zwei,
drei Jahre hin und her. Als Musikjournalist habe ich viel über
Frankreich gemacht, eine Reportage über die dortige Indieszene
zum Beispiel. Wurde ursprünglich mit grossem Aufwand für die
Musikzeitschrift "Spex" gemacht; die die Geschichte dann 1989
allerdings leider doch nicht drucken wollte.
Meine Frau hat übersetzt und die Fotos zu den Stories gemacht.
Ich habe dort auch zum Beispiel Manu Chao mit seiner damals brandneuen
Band Mano Negra getroffen und interviewt und war glaube ich 1989 der
erste deutsche Journalist, der Khaled für eine grosse Geschichte
über die erste Raï-Welle interviewt hat (veröffentlcht
u.a. in der Zücher WoZ). Sehr stolz bin ich auf ein Interview,
das wir 1990 mit Françoise Hardy in ihrer Pariser Wohnung machen
durften.
Ich habe auch schon 1989 für die Stadt Konstanz aus Anlass der
200-Jahr Feier der französischen Revolution im Konstanzer Jugendzentrum
ein kleines Punk-Festival organisiert mit den Pariser Bands Les Satellites,
Les Wampas (deren lustiges "Chirac en prison" vergangenes
Jahr in Frankreich ein kleiner Hit war), Chihuaha und anderen...
Seit damals ist mein Interesse an französischer Musik beständig
geblieben, wobei ich die 90er hindurch das nicht mehr so intensiv verfolgt
habe. Seit ich die Tour de France Parties regelmässig mache, also
seit 2000, bin ich wieder intensiver dabei.
Die
Tour de France Parties gehen also bereits ins achte Jahr. Inzwischen
hast du drei Compilations mit aktueller französischer Musik veröffentlicht.
Beim Hören der aktuellen Le Tour-Compilation wie auch der 4. Ausgabe
von "Le Pop" fällt dabei auf, dass wirklich neue Trends
nicht mehr auszumachen sind.
Etliche der gefeatureten Künstler sind bereits bekannt, einige
haben sogar eigene Alben in Deutschland herausgebracht. Wie lange lassen
sich diese
Reihen noch fortsetzen, ohne sich zu wiederholen?
Thomas
Bohnet: Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Samplerreihen
LeTour und Le Pop wiederholen und insofern keine Existenzberechtigungmehr
haben. Sinn meiner Compilations ist es ja in erster Linie nicht Trends
(was immer man darunter verstehen mag) aufzuspüren. Ich möchte
ganz einfach gute Sampler mit aktuellen französischen/frankophonen
Stücken machen, die teilweise das widerspiegeln, was ich bei meinen
Parties auflege (etliche der Tracks auf allen 3 Samplern sind ja bereits
getestete Partyhits) und die aber auch einen Einblick in
die gegenwärtige französische Szene geben. Die Sampler bilden
natürlich nicht das komplette Spektrum ab, sondern sind subjektiv
zusammengestellt. Ich verzichte zum Beispiel auf französischen
Rap und French House das würde den stilistischen Rahmen
der Sampler einfach sprengen.
Und:
Mir geht es ganz und gar nicht darum, auf jedem Sampler 18 komplett
neue Namen ins Spiel zu bringen. Warum denn? Warum soll ich auf gute
Songs von bereits etablierten oder bekannteren Musikern/Bands
verzichten. Wobei bekannt ja auch immer relativ ist. Eine
Band, die Du als Frankreich-Spezialist kennst, wird der durchschnittliche
deutsche Hörer vermutlich nicht kennen, - Wenn eine Band/ein Musiker
einen schönen neuen Song hat, den ich bei den Parties spiele oder
den ich einfach so liebe, dann ist es mir egal, ob das ein bislang unbekannter
Künstler ist oder ein älterer, arrivierter. Warum soll er
nicht auf LeTour3? Mickey 3, Dionysos, Cali, Rachid Taha machen einfach
klasse Songs, deshalb sind sie jeweils auf zwei der drei Sampler vertreten.
Ich
denke eine gute Mischung aus bekannten Namen (mit neuen Titeln) und
noch unbekannten Acts macht gerade die Qualität von LeTour (und
im Übrigen auch von Le Pop) aus!
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