Wie lange trägt die Frankreich-Welle noch?
Interview mit Thomas Bohnet

Fragen von Michael Frost





Thomas Bohnet, Erfinder der "Tour de France"-Tanznächte und "Le Tour"-Compilations (Foto: PR).

Aktuelle Termine:
Link le-tour.net

Thomas Bohnet organisiert seit einigen Jahren mit wachsendem Erfolg die "Tour de France"-Partys, bei denen er ausschließlich frankophone Musik auflegt. Inzwischen finden die Tanznächte nicht mehr nur in München und Berlin, sondern auch in weiteren Städten statt.

Zudem erwuchsen aus der Veranstaltung mittlerweile drei "Le Tour"-Compilations, auf denen Bohnet viele der besonders nachgefragten Stücke versammeln konnte. Die meisten Bands und Interpreten stellt er erstmals in Deutschland vor - und trägt damit einen nicht unwesentlichen Anteil an der Frankreich-Welle, die viele deutsche Musikfans seit einiger Zeit erfasst hat. Wie lange diese Welle noch tragen wird, und wie groß das Reservoir entdeckenswerter Künstler jenseits des Rheins noch ist, wollte CD-KRITIK.DE von Thomas Bohnet wissen.


LE TOUR 1
Dionysos
Coiffeur D'Oiseaux
Mickey 3D
Respire
Dominique A
En Secret
Louise Attaque
J't'emmene au vent
Les Hurlements D'Leo
La Der Des Der
Zebda
Tomber La Chemise
N&SK
Ca L'Fait
Rachid Taha
Ya Rayah
Samia Farah
Les Temps Difficiles
Massilia Sound System
Toute Petite Danse
Tiken Jah Fakoly
Y'En A Marre
Rubin Steiner
Minellos (Part Two)
Luke
Se Taire
Vincent Delerm
Fanny Ardant Et Moi
Die Aeronauten
Poupee De Cire, Poupee De Son
LE TOUR 2
Tarmac
Je cherche
Romeo
Petite conne
Cali
Elle m`a dit
Sanseverino
Frida
Paris Combo Moi, mon ame et ma conscience
Tryo
Sortez-les
Java
Sex, Accordeon et alcool
Sawt el atlas
Ne me jugez pas
Magyd Cherfi
L`alphabet syndical
Kana
Plantation
K2Riddim
Hatta Fayah
Mickey 3D
Johnny Rep
Elista
Debout
Phonoboy
Laissez Faire
Prototypes
Medicalement
Nada Surf
L'Aventurier
Qui
Feu De Paille
LE TOUR 3
La position du tireur couché Bête
Anaïs
Mon coeur mon amour
Emilie Simon
Fleur de saison
Olivia Ruiz
J'traine des pieds
Florent Pagny
Ma liberté de penser
Marc Lavoine feat. Bambou Dis-moi que l'amour
La Rue Ketanou
Les hommes que j'aime
Babylon Circus
J'aurais bien voulu
Ridan
Le quotidien
Sinsemilia
Tour le bonheur du monde
Dobacaracol
Étrange
Sandrine Kimberlain
Y'a du monde
Pauline Croze
Mis à nu
Dionysos
Tes lacets son des fées
Cali
Je m'en vais (après Miossec)
Rachid Taha
Rock el Casbah
Phonoboy
Pas de temps (LeTour Mix)
The Lovers
Bring your chaos
Core22
Je t'aime (moi non plus)

 

 

 

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CD-KRITIK.DE: Thomas, Du organisierst die "Tour de France"-Tanzabende seit einigen Jahren regelmäßig, inzwischen in mehreren Städten. Im vergangenen Herbst hast Du die dritte Ausgabe Deiner "Le Tour"-Compilations veröffentlicht. Wie erklärst Du Dir die Begeisterung des deutschen - inzwischen auch des österreichischen Publikums - für Rock und Pop aus Frankreich?

Thomas Bohnet: Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Es gibt allerdings seit den sechziger Jahren eine latentes Interesse an französischer Musik hierzulande. Stars wie France Gall, Mireille Mathieu und Françoise Hardy waren in den Sechzigern so populär hier, dass sie sogar einige ihrer Songs auf deutsch eingespielt haben. Mit gelegentlich haarsträubendem Ergebnis! Madame Hardy, die ich 1990 mal in Paris interviewen durfte, hat da einige witzige Dinge über ihre deutschen Aufnahmen und Auftritte im deutschen TV erzählt. Gut, auch Gilbert Becaud oder Charles Aznavour hatten hierzulande viele Fans. Auch in den 70er, 80er und 90er Jahren haben es immer wieder französische Acts geschafft, auch hier Erfolge zu haben. Ob nun Les Rita Mitsouko oder Negresses Vertes, Guesch Patti oder die späte France Gall, oder denk an Mano Negra und Manu Chao. Auch eine (für meine Ohren eher unerträgliche) Sängerin wie Patricia Kaas ist ja sehr beliebt. Latent ist da also schon immer ein gewisses Interesse für französische Sounds da. Wenngleich zum Beispiel die Italo-Pop-Fraktion (Gianna Nannini oder Eros Ramazotti) größer ist. Auch die französischen Sixties erfreuen sich alle paar Jahre in der hippen Szene wieder mal grosser Beliebtheit. Dass seit 5, 6 Jahren ein noch größeres Interesse an Pop und Rock aus Frankreich da ist, liegt an mehreren Faktoren. Zum einen war der Erfolg des Filmes "Die wunderbare Welt der Amelie" bzw. der Erfolg des Soundtracks die Initialzündung für viele deutsche Plattenfirmen, endlich mal französische Platten hier zu veröffentlichen.

Die Arbeit der Kollegen von Le Pop und auch meine bescheidenen lokalen Aktivitäten, dann die Beharrlichkeit von frankophilen Journalisten wie Gerd Heger beim Saarländischen Rundfunk haben sicherlich auch mit dazu beigetragen, dass hier Medien mehr über französisches berichten, Interesse geweckt wird. Und, nicht zu vergessen, das Bureau Export in Berlin macht einen guten Job, französiches/frankophones hierzulande zu propagieren.

Wodurch kamst Du selbst zur französischen Musik?

Thomas Bohnet: Franzoösische Musik interessiert mich schon immer latent. Als Kind (ich bin Jahrgang 58), wir sprechen hier also von den Jahren 65 bis 68 oder so,habe ich Mireille Mathieu, France Gall, Françoise Hardy gehört. Die waren in den Sixties auch sehr populär. Witzigerweise habe ich auch immer schon gerne französische Filme gesehen. Ich bin zum Beispiel ein grosser Fan von François Truffaut und "Jules und Jim" mit Jeanne Moreau ist mein absoluter Lieblingsfilm!!

Ich konnte damals auch überhaupt kein Französisch. Wobei ich auch schon damals wie heute immer zuerst auf die Musik höre und dann erst auf den Text (das mache ich bei englischer und deutscher Musik aber auch so). Also, wenn mich die Musik nicht anspricht, dann kann mich auch der beste, klügste Text von diesem Lied nicht überzeugen.

Mitte der 80er war für mich die damalige Alternative-Rock-Welle in Frankreich sehr prägend. Dadurch, dass ich in Konstanz am Bodensee gelebt habe, bin ich meist nach Zürich zu Konzerten gefahren und dort haben all die französischen Punk- und Alternativ-Bands der Achtziger gespielt: Berurier Noir, Los Carayos (mit dem damals noch unbekannten Manu Chao), Les Garçons Bouchers, auch Les Rita Mitsouko, Noir Desir.....ich habe die meisten Konzerte/Bands live gesehen, das war so 86, 87, 88..
1988 lernte ich auch meine jetzige Frau kennen, die damals gerade in Paris Fotografie studiert hat. Ich pendelte die nächsten zwei, drei Jahre hin und her. Als Musikjournalist habe ich viel über Frankreich gemacht, eine Reportage über die dortige Indieszene zum Beispiel. Wurde ursprünglich mit grossem Aufwand für die Musikzeitschrift "Spex" gemacht; die die Geschichte dann 1989 allerdings leider doch nicht drucken wollte.

Meine Frau hat übersetzt und die Fotos zu den Stories gemacht. Ich habe dort auch zum Beispiel Manu Chao mit seiner damals brandneuen Band Mano Negra getroffen und interviewt und war glaube ich 1989 der erste deutsche Journalist, der Khaled für eine grosse Geschichte über die erste Raï-Welle interviewt hat (veröffentlcht u.a. in der Zücher WoZ). Sehr stolz bin ich auf ein Interview, das wir 1990 mit Françoise Hardy in ihrer Pariser Wohnung machen durften.

Ich habe auch schon 1989 für die Stadt Konstanz aus Anlass der 200-Jahr Feier der französischen Revolution im Konstanzer Jugendzentrum ein kleines Punk-Festival organisiert mit den Pariser Bands Les Satellites, Les Wampas (deren lustiges "Chirac en prison" vergangenes Jahr in Frankreich ein kleiner Hit war), Chihuaha und anderen...
Seit damals ist mein Interesse an französischer Musik beständig geblieben, wobei ich die 90er hindurch das nicht mehr so intensiv verfolgt habe. Seit ich die Tour de France Parties regelmässig mache, also seit 2000, bin ich wieder intensiver dabei.

Die Tour de France Parties gehen also bereits ins achte Jahr. Inzwischen hast du drei Compilations mit aktueller französischer Musik veröffentlicht.
Beim Hören der aktuellen Le Tour-Compilation wie auch der 4. Ausgabe von "Le Pop" fällt dabei auf, dass wirklich neue Trends nicht mehr auszumachen sind.
Etliche der gefeatureten Künstler sind bereits bekannt, einige haben sogar eigene Alben in Deutschland herausgebracht. Wie lange lassen sich diese
Reihen noch fortsetzen, ohne sich zu wiederholen?

Thomas Bohnet: Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Samplerreihen LeTour und Le Pop “wiederholen” und insofern keine Existenzberechtigungmehr haben. Sinn meiner Compilations ist es ja in erster Linie nicht “Trends” (was immer man darunter verstehen mag) aufzuspüren. Ich möchte ganz einfach gute Sampler mit aktuellen französischen/frankophonen Stücken machen, die teilweise das widerspiegeln, was ich bei meinen Parties auflege (etliche der Tracks auf allen 3 Samplern sind ja bereits ”getestete” Partyhits) und die aber auch einen Einblick in die gegenwärtige französische Szene geben. Die Sampler bilden natürlich nicht das komplette Spektrum ab, sondern sind subjektiv zusammengestellt. Ich verzichte zum Beispiel auf französischen Rap und French House – das würde den stilistischen Rahmen der Sampler einfach sprengen.

Und: Mir geht es ganz und gar nicht darum, auf jedem Sampler 18 komplett neue Namen ins Spiel zu bringen. Warum denn? Warum soll ich auf gute Songs von bereits “etablierten” oder bekannteren Musikern/Bands verzichten. Wobei “bekannt” ja auch immer relativ ist. Eine Band, die Du als Frankreich-Spezialist kennst, wird der durchschnittliche deutsche Hörer vermutlich nicht kennen, - Wenn eine Band/ein Musiker einen schönen neuen Song hat, den ich bei den Parties spiele oder den ich einfach so liebe, dann ist es mir egal, ob das ein bislang unbekannter Künstler ist oder ein älterer, arrivierter. Warum soll er nicht auf LeTour3? Mickey 3, Dionysos, Cali, Rachid Taha machen einfach klasse Songs, deshalb sind sie jeweils auf zwei der drei Sampler vertreten.

Ich denke eine gute Mischung aus bekannten Namen (mit neuen Titeln) und noch unbekannten Acts macht gerade die Qualität von LeTour (und im Übrigen auch von Le Pop) aus!

>> Fortsetzung >>




 


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